Bickenbach wurde im Jahre 874 erstmals in einer Schenkungsurkunde des Lorscher Codex erwähnt, als König Ludwig der Deutsche den Ort dem Kloster Lorsch schenkte.[3][4] In historischen Dokumenten ist der Ort in den folgenden Jahrhunderten unter wechselnden Ortsnamen belegt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[5]Bicchumbach (874), Picchenbah (10. Jahrhundert), Bikinbach (1012), Bichenbach (1130), Bickenbach (1267), Bickinbach (1310), Bickembag (1330/31), Bickenbach (1380), Bickenbach uf dem Sande (1380–1388), Byckinbach off dem Sande (1396), Byckinbach off dem Sande (1489), Beckhenbach (1538), Beckenbach (1579) und Bickhenbach; Bickhenpach ahn der Bergstraßen (1583).
Bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts war der Ort eng mit dem Kloster Lorsch und dessen Lehnsherren verbunden. Es folgte eine Zeit häufig wechselnder Herrschaften. 1571 besaßen die Grafen von Erbach das Dorf, während der Landgraf von Hessen die hohe Obrigkeit ausübte. 1714 verkauften die Grafen von Erbach den Ort Bickenbach an den Landgrafen von Hessen-Darmstadt, Landgraf Ernst Ludwig.[5] Dieser ließ ab 1720 das Jagdschloss Bickenbach, eines der größten Jagdschlösser der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, südwestlich des alten Ortskerns errichten. Etwa 2 km südwestlich des Ortes finden sich die Reste des sogenannten Weilerhügels, einer Motte. Sie ist der Stammsitz der Herren von Bickenbach und wurde 1130 erstmals erwähnt.
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Bickenbach:
„Bickenbach (L. Bez. Bensheim) luth. Pfarrdorf; liegt an der von Darmstadt durch die Bergstraße ziehenden Chaussee, in einer ebenen Gegend, 2 St. von Bensheim, hat 118 Häuser und 773 Einw., die außer 18 Kath., 1 Reform und 48 Juden alle lutherisch sind; unter diesen sind 41 Bauern, 30 Handwerker und 18 Taglöhner. Hier ist eine Posthalterei, ein Nebenzollamt und eine vormalige Kavalleriekaserne, die aber nun verkauft ist. – Bickenbach kommt schon im 9. Jahrhundert vor; König Ludwig der Teutsche schenkte, 874, sein Eigenthum darin an das Kloster Lorsch. Der Ort gehörte den Herrn von Bickenbach, und war ein Zugehör des Schlosses Bickenbach (Alsbacher Schloß). Mit dem Zugehör kam das Dorf an die Grafen von Erbach. Die adelige Familie von Venningen war zu der Hälfte des Dorfs, der halben Vogtei und 1⁄6 des großen Zehntens gekommen. Erasmus von Venningen verkaufte aber im 16. Jahrhundert diese Rechte an Georg Schenk von Erbach. Im 30jährigen Krieg, 1622, fielen die Baiern in das Dorf ein, schossen mehrere Bauern todt, plünderten und verjagten die Einwohner, und legten die schöne Kirche mit 20 andern Gebäuden in Asche. Von Erbach kam 1714 das Ganze durch Kauf an Hessen. Die Kirche war die älteste Mutterkirche im ganzen vormaligen Amt Seeheim. Eine Urkunde von 1487 giebt folgende Filiale an; Seeheim, Alsbach, Hayn, Auen, Hartenau, Morstatt, Loart und Staffel Das Patronat übergeben Conrad von Bickenbach, und die Herrn von Falkenstein, Hanau und Weinsberg als Münzenbergische Erben, 1267, dem Nonnenkloster Padenhausen im Dreieicher Hain. Zu Bickenbach haben die Herrn von Bickenbach ihr Erbbegräbniß gehabt.“[6]
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, von 1897 bis 1955, verkehrte eine Dampflok-betriebene Nebenbahn zwischen Bickenbach, Alsbach, Jugenheim und Seeheim. Die Planungen für diese Verbindung hatten bereits 1869 begonnen, aber es gab viele Widerstände gegen den Bau. So fürchtete man Lärm, Störung der Feldarbeit und die Abwanderung von Feriengästen. Zur damaligen Zeit war die Bergstraße ein beliebtes Erholungsgebiet für Gäste aus ganz Europa, vor allem aus den Fürstenhäusern. Die Nebenbahn verband die nördliche Bergstraße am Bahnhof Bickenbach mit der Main-Neckar-Bahn. Neben den Feriengästen benutzte auch die einheimische Bevölkerung die „Ziggelsche“ genannte Nebenbahn. Da einige Züge bis nach Darmstadt fuhren und von Reisenden zum Besuch des Darmstädter Staatstheaters genutzt wurden, erhielten diese den Spitznamen „Theaterzug“.[7]
Verwaltungsgeschichte im Überblick
Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Bickenbach angehört(e):
[5][8][9]
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Bickenbach 5397 Einwohner. Darunter waren 428 (8,0 %) Ausländer, von denen 271 aus dem EU-Ausland, 95 aus anderen europäischen Ländern und 62 aus anderen Staaten kamen.[12] (Bis zum Jahr 2020 erhöhte sich die Ausländerquote auf 13,9 %.)[13] Nach dem Lebensalter waren 981 Einwohner unter 18 Jahren, 2305 zwischen 18 und 49, 154 zwischen 50 und 64 und 960 Einwohner waren älter.[14] Die Einwohner lebten in 2442 Haushalten. Davon waren 763 Singlehaushalte, 686 Paare ohne Kinder und 764 Paare mit Kindern, sowie 185 Alleinerziehende und 44 Wohngemeinschaften.[15] In 446 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 1735 Haushaltungen lebten keine Senioren.[16]
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: [5]; 1972:[20]; Hessisches Statistisches Informationssystem[13]; Zensus 2011[12]
Nach der hessischen Kommunalverfassung wird der Bürgermeister für eine sechsjährige Amtszeit gewählt, seit dem Jahr 1993 in einer Direktwahl, und ist Vorsitzender des Gemeindevorstands, dem in der Gemeinde Bickenbach neben dem Bürgermeister ehrenamtlich der Erste Beigeordnete und neun weitere Beigeordnete angehören.[28] Bürgermeister ist seit dem 1. Januar 2018 Markus Hennemann (SPD). Er wurde als Nachfolger von Günter Martini (CDU), der nach vier Amtszeiten nicht mehr kandidiert hatte, am 22. Oktober 2017 in einer Stichwahl bei 64,1 Prozent Wahlbeteiligung mit 51,8 Prozent der Stimmen gewählt. Es folgte eine Wiederwahl im Oktober 2023.[29]
1994–2017 Günter Martini (CDU), Amtsantritt 1. Januar
1968–1993 Karl Schemel (SPD), Amtsantritt 1. Oktober
1948–1968 Georg Blum (SPD) nach der Kommunalwahl 1948 ab 25. Juni im Amt
1946–1948 Georg Hill (SPD) nach der Kommunalwahl 1946 ab 22. März im Amt
1945–1946 Karl Dieter (KPD), am 15. April von der US-Militäradministration eingesetzt
Die ehrenamtlichen Beigeordneten werden von der Gemeindevertretung in oder bald nach der konstituierenden Sitzung für die fünfjährige Wahlperiode bis zur nächsten Kommunalwahl in den Gemeindevorstand gewählt. Für die Dauer ihrer Wahlzeit werden sie zu Ehrenbeamten ernannt und können, im Gegensatz zu dem Bürgermeister als hauptamtlichem Mitglied, nicht abgewählt werden. Die Stärke der in der Gemeindevertretung vertretenen Fraktionen spiegelt sich grundsätzlich in der Zusammensetzung des ehrenamtlichen Gemeindevorstands wieder. Vertreterin des Bürgermeisters ist die Erste Beigeordnete Barbara Fenske (KOMM,A).[28] Nach der geltenden Fassung der Hauptsatzung wird sich die Zahl der Beigeordneten am 1. April 2026 mit Ende der laufenden Wahlperiode von zehn auf sechs vermindern.
Der Gemeindevorstand steht an der Spitze der Gemeindeverwaltung und wird von dieser unterstützt. Er trifft die Entscheidungen zu laufenden Verwaltungsangelegenheiten, bereitet gemeinsam mit der Verwaltung die Beschlüsse der Gemeindevertretung vor und führt diese aus. Er wirkt mit bei der Ausführung der Gesetze und Verordnungen innerhalb der Gemeinde, bei der Verwaltung des Vermögens, bei der Erstellung des Haushaltsplanes sowie bei der Überwachung des Kassen- und Rechnungswesens. Auch die Wahrung der Bürgerinteressen ist seine Aufgabe. Er vertritt die Gemeinde nach außen, führt den Schriftwechsel und vollzieht die Gemeindeurkunden. Er tagt unter Vorsitz des Bürgermeisters in nicht-öffentlichen Sitzungen. An den Sitzungen der Gemeindevertretung nimmt der Gemeindevorstand ohne Stimmrecht teil.[32]
Wappen und Flagge
Wappen
Blasonierung: „Roter, von einer Doppelreihe silberner Rauten schrägrechts geteilter Schild; links oben ein mit dem Gemarkungszeichen (breitendiges Kreuz über unten geöffnetem Ring. Rot in Gold) belegter Kleinschild.“[33]
Zusammen mit dem Wappen wurde Bickenbach eine Flagge mit der Beschreibung „In rot zwei gelbe Streifen, belegt mit dem Gemeindewappen.“ verliehen.
Nur ein Jahr später, am 31. Juli 1972 wurde die Flagge geändert und wird nun wie folgt beschrieben:
„In einem Gelben, beiderseits von rot beseiteten verbreiterten Mittelstreifen aufgelegt das Gemeindewappen.“[34]
Das Gemeindegebiet umfasst eine Gesamtfläche von 926 Hektar, davon entfallen in ha auf:[13]
Nutzungsart
2011
2015
ab 2016
2016
2020
Gebäude- und Freifläche
123
126
Siedlung
157
159
davon
Wohnen
87
86
Gewerbe
8
15
Betriebsfläche
12
5
davon
Abbauland
6
0
Erholungsfläche
10
10
Vegetation
631
629
davon
Grünanlage
6
6
Verkehrsfläche
98
99
Verkehr
99
99
Landwirtschaftsfläche
483
470
davon
Moor
0
0
Heide
0
0
Waldfläche
160
177
Wasserfläche
39
39
Gewässer
39
39
Sonstige Nutzung
1
1
Verkehr
Bickenbach liegt verkehrsgünstig an der Bahnstrecke Frankfurt am Main–Heidelberg („Main-Neckar-Bahn“). Die RB/RE-Züge verbinden Bickenbach mit Darmstadt und Frankfurt sowie Mannheim und Heidelberg.
Die Buslinie K50 fährt von Bickenbach aus nach Alsbach-Hähnlein sowie nach Seeheim-Jugenheim und Mühltal. Eine Anbindung nach Bensheim und Heppenheim besteht außer durch die Main-Neckar-Bahn auch durch die Buslinie 669. Spätverbindungen von Darmstadt werden durch die Linie 8N hergestellt.
In Bickenbach hatte das Naturlebensmittel-Unternehmen Alnatura bis zu seinem Umzug nach Darmstadt Anfang 2019 seinen Sitz. Die daraus hervorgegangenen Unternehmen(szweige) Alnavit und Alnatura-Naturtextil firmierten ebenfalls dort.
Im Jahr 1989 gründete Walter Gutjahr ein Unternehmen für die Herstellung der von ihm patentierten Verfahren zur sicheren Entwässerung, Entlüftung und Entkopplung von Belägen auf Balkonen, Terrassen, Fassaden und Außentreppen mit Drainage- und Entkopplungsmatten.
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter des Ortes
Johann Christian Breithaupt (1736–1799), deutscher Mechaniker und Erfinder des ersten Distanzmessers. Hofmechaniker des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel. Gründer des Präzisionsinstrumente-Herstellers F. W. Breithaupt & Sohn GmbH & Co. KG Kassel.
Ludwig Wilhelm Zimmermann (1780–1825), Chemiker, Mineraloge und Hochschullehrer an der Universität Gießen
Persönlichkeiten, die mit Bickenbach in Verbindung stehen
Klaus-Jürgen Hoffie (* 1936), Unternehmer und Politiker (Hessischer Staatsminister für Wirtschaft und Technik, Mitglied des Bundestages), lebte und wirkte einige Jahre in Bickenbach (Ratsmitglied)
Hermann Benjes (1937–2007), Landschaftsgärtner, Naturfotograf und Schriftsteller; lebte die längste Zeit seines Lebens in Bickenbach
Karl Schneider (1934–2020), Jurist und Politiker (SPD), 1973 bis 1991 MdL Hessen, 1980 bis 1987 Staatsminister in Hessen, 1991 bis 1994 Landesminister in Rheinland-Pfalz. Lebte seit 1976 in Bickenbach.
Danger Dan (* 1983; bürgerlich: Daniel Pongratz) und sein Bruder Panik Panzer (bürgerlich: Tobias Pongratz), Musiker und Mitglieder der Band Antilopen-Gang, lebten mit ihrer Familie fünf Jahre in Bickenbach.[38][39][40]
Johannes (* 1997) und Philipp Mickenbecker (1997–2021), mit dem Kanal The Real Life Guys bekannte YouTuber lebt bzw. lebte in Bickenbach[41][42]
↑Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, OCLC894925483, S.43ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑
Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr.8, S.121ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2MB]).
↑
Kommunalwahlen 1972; Maßgebliche Einwohnerzahlen der Gemeinden vom 4. August 1972. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1972 Nr.33, S.1424, Punkt 1025 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 5,9MB]).
↑Genehmigung eines Wappens und einer Flagge der Gemeinde Bickenbach, Landkreis Darmstadt (Punkt 1189) vom 4. August 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr.34, S.1388 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 2,9MB]).
↑Genehmigung zur Änderung der Flagge der Gemeinde Bickenbach, Landkreises Darmstadt vom 31. Juli 1972. In: Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1972 Nr.34, S.1459, Punkt 1056 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,2MB]).