Das Dies irae, gelegentlich einfach als Totensequenz bezeichnet, weist ein alternierendes, akzentuierendestrochäischesVersmaß auf. Der Hymnus besteht aus zunächst 17 dreizeiligen Strophen und wird durch drei zweizeilige Strophen beendet. Alle Verse einer Strophe reimen sich am Ende. Er ist ein radikaler Bruch mit der antiken Hymnendichtung, unter anderem durch die Verwendung von Endreim und akzentuierender Betonung (Rhythmus) statt der älteren metrischen Versmaße, die auf Silbenlänge und -kürze beruhten. Seine Melodie wurde in älteren Vertonungen lautstark gesungen.
Inhaltlich orientiert sich der Hymnus an Zef 1,15 EU in der Version der Vulgata:[1][2]
„dies irae dies illa / dies tribulationis et angustiae / dies calamitatis et miseriae / dies tenebrarum et caliginis / dies nebulae et turbinis“ „Ein Tag des Zorns ist jener Tag, ein Tag der Not und der Beklemmung, ein Tag des Unglücks und des Elends, ein Tag der Dunkelheit und der Finsternis, ein Tag des Nebels und des Sturmes“
Lateinischer Originaltext und deutsche Übertragung
Die erste Übersetzung[3] orientiert sich wörtlich am lateinischen Original; die inhaltlich freiere Übertragung in der rechten Spalte erhält dessen Versmaß und Reim aufrecht.
Dies irae dies illa, Solvet saeclum in favilla: Teste David cum Sibylla.
Tag des Zornes, jener Tag wird die zeitliche Welt in Asche auflösen gemäß dem Zeugnis Davids und der Sibylla.
Tag der Rache, Tag der Sünden, Wird das Weltall sich entzünden, wie Sibyll und David künden.
Quantus tremor est futurus, Quando iudex est venturus, Cuncta stricte discussurus!
Welch großes Beben wird sein, wenn der Richter erscheint zur strengen Prüfung von allem.
Welch ein Graus wird sein und Zagen, Wenn der Richter kommt, mit Fragen Streng zu prüfen alle Klagen!
Tuba mirum spargens sonum Per sepulcra regionum Coget omnes ante thronum.
Der schrille Klang der Posaune Durch die Gräber der Regionen, zwingt alle vor den Thron.
Laut wird die Posaune klingen, Durch der Erde Gräber dringen, Alle hin zum Throne zwingen.
Mors stupebit et natura, Cum resurget creatura, Iudicanti responsura.
Es staunt der Tod und die Natur, wenn sich die Kreatur erhebt, um dem Richter zu antworten.
Schaudernd sehen Tod und Leben Sich die Kreatur erheben, Rechenschaft dem Herrn zu geben.
Liber scriptus proferetur, In quo totum continetur, Unde mundus iudicetur.
Ein beschriebenes Buch wird vorgetragen, in welchem alles enthalten ist, wonach die Welt zu richten ist.
Und ein Buch wird aufgeschlagen, Treu darin ist eingetragen Jede Schuld aus Erdentagen.
Iudex ergo cum sedebit, Quidquid latet apparebit: Nil inultum remanebit.
Wenn der Richter also dort sitzt, wird alles Verborgene ans Tageslicht kommen, nichts bleibt ungesühnt zurück.
Sitzt der Richter dann zu richten, Wird sich das Verborgne lichten; Nichts kann vor der Strafe flüchten.
Quid sum miser tunc dicturus? Quem patronum rogaturus, Cum vix iustus sit securus?
Was werde ich Armer dann sagen, welchen Schutzpatron mir suchen, wenn ein Gerechter kaum sicher ist?
Weh! Was werd ich Armer sagen? Welchen Anwalt mir erfragen, Wenn Gerechte selbst verzagen?
Rex tremendae maiestatis, Qui salvandos salvas gratis: Salva me, fons pietatis.
König von schrecklicher Gewalt, was zu retten ist, rettest du umsonst, rette mich, Quelle der Güte.
König schrecklicher Gewalten, Frei ist Deiner Gnade Schalten: Gnadenquell, lass Gnade walten!
Recordare Iesu pie, Quod sum causa tuae viae: Ne me perdas illa die.
Denke daran, gütiger Jesus, ich bin die Ursache deines Lebensweges, vernichte mich nicht an jenem Tage.
Milder Jesus, wollst erwägen, Dass Du kamest meinetwegen, Schleudre mir nicht Fluch entgegen.
Quaerens me, sedisti lassus: Redemisti crucem passus: Tantus labor non sit cassus.
Auf der Suche nach mir setztest du dich erschöpft nieder, erlittest das Kreuz zur Erlösung, solche Mühe soll nicht vergebens sein.
Bist mich suchend müd gegangen, Mir zum Heil am Kreuz gehangen, Mög dies Mühn zum Ziel gelangen.
Iuste iudex ultionis, Donum fac remissionis, Ante diem rationis.
Gerechter Richter der Rache, mach ein Geschenk der Vergebung vor dem Tag des letzten Gerichts.
Richter Du gerechter Rache, Nachsicht üb in meiner Sache Eh ich zum Gericht erwache.
Ingemisco, tamquam reus: Culpa rubet vultus meus: Supplicanti parce Deus.
Ich seufze auf wie ein Schuldiger, die Schuld rötet mein Gesicht, den Bittenden verschone, Gott.
Dieser Absatz ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg könnten demnächst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst.
Das Dies irae wurde erstmals im 13. Jahrhundert als Sequenz – eine Spätform des gregorianischen Chorals – vertont und wurde in dieser Form Bestandteil des Requiems.
Bei späteren Kompositionen der Totenmesse wird das Dies irae zumeist in die Teile Dies irae, Tuba mirum, Liber scriptus, Rex tremendae, Recordare, Ingemisco, Confutatis und Lacrimosa untergliedert.
Die Komponisten verfahren mit der Anordnung der Sätze häufig recht frei, auch der Text des mittelalterlichen Hymnus wird nicht immer verwendet. Meistens hat der Dies-irae-Satz gewaltige Dimensionen. Hector Berlioz verwendet in seinem Requiem zum Beispiel 16 Pauken und vier Blechbläser-Chöre, die das Tuba mirum (Posaune, wundertönend durch die grabgewölbten Hallen) plastisch darstellen. Berlioz übernahm Abschnitte der alten Melodie in der Symphonie fantastique, sein Dies irae in der Grande Messe des Morts hingegen kommt ohne den Hymnus aus.
Auch sonst wird das gregorianische Dies-irae-Motiv häufiger in musikalischen Werken zitiert, wenn auf das Gericht Gottes oder auch einfach auf den Tod hingewiesen werden soll. Darunter sind durchaus auch sehr weltliche Kompositionen. Beispielsweise zitiert Jerry Goldsmith das Motiv in seiner Filmmusik zu Gremlins 2 – Die Rückkehr der kleinen Monster. Eine weitere Verwendung fand das Dies irae im Vorspann des Horrorfilms The Shining von Stanley Kubrick. Kubrick bediente sich hier einer Interpretation von Wendy Carlos.
Dieser Absatz ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg könnten demnächst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst.
Zitate des gregorianischen Hymnus in der klassischen Musik
Lili Boulanger: mehrfaches Zitat des Dies Irae in „Pour les funérailles d’un Soldat“ für vierstimmigen gemischten Chor, Bariton solo und Orchester/Klavier (1912)
Dirk Brossé: Oscar for Amnesty, Tone Poem for Symphonic Band (1987)
Horst Lohse: Dies Irae-Zitate im Hieronymus-Bosch-Zyklus, Teil 2: Die vier letzten Dinge (Quasi una Sinfonia da Requiem) (1996/97) für Orgel und großes Orchester, und Teil 3: Cave cave Dominus videt (2011/12) für Stimme und Orgel (Text: Michael Herrschel)
Bohuslav Martinů: Památník Lidicím (Gedenkstück für Lidice) (1943), melodisches Zitat in den Klarinetten und Fagotten Takt 2–4
Fried, Gerald: The Return of Dracula (Album: The Return of Dracula, I Bury the Living, The Cabinet of Caligari, Mark of the Vampire, Film Score Monthly 2004)
Subway to Sally: Tag der Rache (Album: Hochzeit, Folk Rock 1999)
Symphony X: A Fool’s Paradise (Album: V – The New Mythology Suite, Progressive Metal; ferner enthält dieses Album noch eine Adaption des Dies Irae aus dem Verdi-Requiem)
Thyrfing: Far Åt Helvete (Album: Farsotstider, 2005, Pagan Metal)
Wolfenmond: Dies irae, Dies illa (Album: Flammenspiel und Schattenklang, 2004, Musik der Mittelalterszene)
Literatur
Friedrich Gustav Lisco: Stabat Mater, Hymnus auf die Schmerzen der Maria: nebst einem Nachtrage zu den Uebersetzungen des Hymnus Dies irae: zweiter Beitrag zur Hymnologie. Berlin: G.W.F. Müller 1843 (Digitalisat)
↑Hieronymus: Biblia Sacra Vulgata. Lateinisch-deutsch. Band IV. Hrsg.: Andreas Beriger, Widu-Wolfgang Ehlers und Michael Fieger. Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston 2018, ISBN 978-3-11-048836-4, S.987 (Deutsche Übersetzung).