Der Gartenfriedhof in Hannover wurde 1741 angelegt und liegt an der 1749 erbauten Gartenkirche. Friedhof und Kirche sind nach der hier ansässigen Gartengemeinde außerhalb des Stadtmauerrings vor dem Aegidientor benannt worden. Der Friedhof, der noch heute eine Vielzahl klassizistischer Grabdenkmäler vor allem aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beherbergt, wurde 1864 bei Anlage des neuen Stadtfriedhofs Engesohde geschlossen. Er ist heute ein mitten in der Innenstadt Hannovers gelegener Park. Die Gräber von Charlotte Kestner, Urbild von Goethes „Lotte“ aus dem „Werther“, der Astronomin Caroline Herschel und des Malers Johann Heinrich Ramberg sind hier zu finden. Der Gartenfriedhof liegt an der Marienstraße zwischen Warmbüchenstraße und Arnswaldtstraße.
Die Namen „Gartenfriedhof“ und „Gartenkirche“ weisen auf die Entstehung der Gemeinde und ihres Friedhofs aus der Gartengemeinde des 18. Jahrhunderts hin. Der heutige Stadtteil Südstadt lag damals vor der Stadtmauer und vor dem Aegidientor und wurde von den sogenannten „Gartenleuten“ überwiegend für Acker- und Gemüsebau genutzt. Diese Gemüsebauern, wegen ihrer einfachen Behausungen, den Katen, auch „Gartenkosaken“ (Kosaken = Verballhornung von „Kothsassen“) genannt, versorgten mit ihren Produkten die Stadt Hannover. Für diese Bevölkerung der Gartenvorstadt legte die Stadt Hannover 1741 den „Neuen Kirchhof vor dem Aegidientor“ an. 1746–1749 wurde von Johann Paul Heumann auch die (später so genannte) Gartenkirche erbaut, eine einfache Saalkirche mit einem Dachreiter, die 1887–1891 einem Neubau des Architekten Rudolph Eberhard Hillebrand weichen musste. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Friedhof jedoch nicht nur von den Gartenleuten genutzt, sondern auch von der bürgerlichen Bevölkerung der Mitte des 18. Jahrhunderts erbauten, nahe gelegenen Aegidienneustadt, den Familien der Beamten, Militärs, Ministern, Professoren und Hofräten, wovon noch heute die Aufschriften der Grabsteine zeugen. Diese Grabmale repräsentieren mit ihrem künstlerischen Aufwand an klassizistischen Stilelementen gerade diese bürgerliche Schicht der „hübschen Familien“, wie es auf „Hannöversch“ hieß. Die Grabsymbole dieser Zeit wie Urne, Tränenkrüglein, die sich in den Schwanz beißende Schlange (=Unendlichkeit), Schmetterling (=Metamorphose) und erloschene Fackel sind in vielerlei Variationen auf dem Gartenfriedhof zu entdecken. Ganz zu schweigen von „Gesamt-Grabkunstwerken“ wie der von Georg Ludwig Friedrich Laves entworfene Grabstein mit Akanthusblättern und Palmetten für Charlotte Kestner oder dem von vier Sphingen getragenen Steinsarkophag des Grafen von Kielmannsegge.
Seit den 1950er Jahren war der Friedhof starkem Verfall ausgesetzt, vor allem was die Grabsteine aus Sandstein und die eisernen Umfassungsgitter betrifft. Luftverschmutzung, aber auch Vandalismus und der (bis heute andauernde) Missbrauch des Friedhofs als Hundetoilette trugen das ihre dazu bei.
Da der alte Friedhofszaun während des Zweiten Weltkriegs eingeschmolzen worden war, wurde seit 1984 das ehemalige Gitter der Kanalbrücke im hannoverschen Stadtteil Vinnhorst hierher versetzt und als Zaun montiert. Gemeinsame Bemühungen verschiedener kultureller Vereine führten schließlich zur Sicherung und Wiederherrichtung der Anlage. So bietet jetzt auch eine bronzene Orientierungstafel im Eingangsbereich, Mitte der 1990er Jahre vom Rotary Club Hannover-Leineschloß gestiftet, die Möglichkeit eines Rundgangs über den Friedhof entlang der wichtigsten noch erhaltenen Grabdenkmäler. Die Nummern auf dieser Tafel sind identisch mit denen im Heftchen des Grünflächenamts (s. u.: Literatur).
Renaissance Gartenfriedhof
Der Verein
Anfang 2011 wurde unter dem Dach des Heimatbundes Niedersachsen die Gruppe „Renaissance Gartenfriedhof“ gegründet, aus dem sich im September 2011 der gemeinnützige Verein „Renaissance Gartenfriedhof e. V.“ bildete.[4] Ziele sind
Vermittlung von Patenschaften für einzelne Grabstätten,[5]
Kulturelle Nutzung des Gartenfriedhofs durch Erinnerungsarbeit zu dort Bestatteten, Lesungen, Konzerte oder szenische Darstellungen,[5]
Ausstellungen und Referate zum Kleinod Gartenfriedhof und Ausbau als touristische Besonderheit.[5]
Bisherige Patenschaften
Die Patenschaft für die Grabstätte des königlichen Hofmalers Johann Heinrich Ramberg übernahm sein Ur-Ur-Ur-Enkel Jürgen Behrens. Die Feierlichkeiten zur Übergabe der Patenschaftsurkunde fanden am 14. April 2012 auf dem Gartenfriedhof statt. Redner waren unter anderem die Historikerin Alheidis von Rohr, der Vorsitzende des Vereins Renaissance Gartenfriedhof e. V.Landessuperintendent a. D. Dieter Zinßer sowie Bürgermeister Bernd Strauch. Musikalisch begleitet wurde die Feier mit Liedern aus der Zeit Rambergs durch Jan-Henrik Behnken (Tenor).[6]
Weitere Patenschaften gab es mit Feierlichkeiten zur Übergabe der Patenschaftsurkunden am 10. Dezember 2011 auf dem Gartenfriedhof. Redner waren unter anderem der Vorsitzende des Vereins Renaissance Gartenfriedhof e. V.Landessuperintendent a. D. Dieter Zinßer sowie Bürgermeister Hans Mönninghoff.[7] Es handelte sich um folgende Grabstätten:
Grabstätte Heinrich Andreas Jakob Lutz („Menschenfressergrab“) – Susanne Debus
Die Patenschaft für die Grabstätte Charlotte Henriette Caroline Kestner, geb. Buff, übernahm die Stiftung „Ahlers pro Arte“. Die Feierlichkeiten zur Übergabe der Patenschaftsurkunde fanden am 24. September 2011 auf dem Gartenfriedhof statt. Redner waren unter anderem die 4-fache Urenkelin von Charlotte Kestner, Christel Thomczyk, für die Stiftung Jan Ahlers, der Vorsitzende des Vereins Renaissance Gartenfriedhof e. V.Landessuperintendent a. D. Dieter Zinßer, Ingeborg Rupprecht sowie Oberbürgermeister Stephan Weil. Begleitet wurde die Feier durch einen Blechbläser-Posaunenchor sowie durch Moritz Nikolaus Koch vom Theater für Niedersachsen mit Kurzlesungen aus Goethes Dichtung und Wahrheit.[8]
Grabdenkmäler (Auswahl)
Nach der Orientierungstafel
Die Ziffern entsprechen der Orientierungstafel an Ort und Stelle.[9]
Karl Friedrich Alexander von Arnswaldt (auch: Alexander von Arnswaldt; 1768–1845), Jurist, Staatsminister des Königreichs Hannover und Kurator der Georg-August-Universität in Göttingen[20]
Gemeinsames Grabmal von
Georg Friedrich Mühry (1774–1848), bedeutender Arzt der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Obermedizinalrat, Hofmedicus, Stadtphysikus und wissenschaftlicher Autor (Geburtsdatum auf dem Grabmal ist falsch!)[21]
Carl Mühry (1806–1840), Hofmedicus, Badearzt und Autor[22]
Der Erste Stadtdirektor Hannovers, der Geheime Kabinettsrat Georg Ernst Friedrich Hoppenstedt (1779–1858) wurde auf dem Gartenfriedhof bestattet. Später erhielt er eine Gedenkinschrift auf einem größeren Familiengrab auf dem Stadtfriedhof Engesohde.[33]
Ludwig Damm: Von alten Friedhöfen der Stadt Hannover, hrsg. vom Magistrat, Hannover 1914.
Alfred Fuhrmann: Der Gartenfriedhof in Hannover in geschichtlicher und kunstgeschichtlicher Bedeutung. In: Hannoverscher Volks-Kalender. Jg. 62 (1931), S. 45–51.
Arnold Nöldeke: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. 1: Regierungsbezirk Hannover. Heft 2: Stadt Hannover. Teil 1: Denkmäler des „alten“ Stadtgebietes Hannover. Hannover 1932, S. 192–200.
Hinrich Hesse: Die Grabinschriften des Gartenkirchhofs in Hannover. In: Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte. Jg. 44 (1939), S. 235–290. (Die ausführlichste Auflistung der Grabinschriften vor dem Zweiten Weltkrieg: 450 Gräber wurden vom Verfasser aufgenommen.)
Hans Geiß: Der Gartenfriedhof. In: Heimatland, 1983, S. 1–3.
Gerhard Richter: Der Gartenfriedhof in Hannover. In: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge Band 38 (1984), S. 53–76, ISSN0342-1104 (Die – von der Stiftung Volkswagenwerk geförderte – Untersuchung und Bestandserfassung des Gartenfriedhofs fast ein halbes Jahrhundert nach Hinrich Hesse ergab nur noch 402 Grabdenkmäler.)
Ludwig Wülker: Die Hannoverschen Friedhöfe im Wandel der Geschichte. In: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge 5 (1939), S. 76–81.
Waldemar R. Röhrbein: Von Hannovers alten Friedhöfen. In: Geschichten um Hannovers Kirchen. Studien, Bilder, Dokumente, hrsg. von Hans Werner Dannowski und Waldemar R. Röhrbein, Lutherhaus-Verlag, Hannover 1983, S. 97–102 (auch über den Gartenfriedhof), ISBN 3-87502-145-2.
Helmut Knocke, Hugo Thielen: Hannover. Kunst- und Kultur-Lexikon. Handbuch und Stadtführer. 3., rev. Aufl. Schäfer, Hannover 1995, S. 149.
Inge Pusch u. a. (Text): Der Gartenfriedhof, kostenlose Broschüre von der Landeshauptstadt Hannover, Grünflächenamt Hannover in Zusammenarbeit mit dem Presseamt Hannover, Dezember 1997.
Angelika Weißmann: Der ehemalige Gartenfriedhof. Hrsg. Landeshauptstadt Hannover, Hannover 2019. (Digitalisat auf visit-hannover.com, abgerufen am 5. Juni 2024)
↑o. V.: Projekt Wissenschaftliche Betrachtung von namensgebenden Persönlichkeiten. Abschlussbericht. Empfehlungen des Beirats, hrsg. von der Landeshauptstadt Hannover, Zentrale Angelegenheiten Kultur, Städtische Erinnerungskultur, Hannover: LHH, September 2018, Anlage 2: Liste der Ehrengräber (Stand: September 2015); auch als PDF-Dokument von der Seite hannover.de
↑o. V.: Ehrengräber und Gräber bedeutender Persönlichkeiten auf dem Stadtfriedhof Engesohde, 3 Seiten DIN A 4, Hannover: Landeshauptstadt Hannover, Städtische Friedhöfe, Stand: Juli 2013