Münklers Eltern arbeiteten im Schuldienst; er hat zwei Geschwister.[2] An der Augustinerschule Friedberg belegte er das altsprachliche Profil und machte dort 1970 das Abitur.[2] In seiner Jugend war Münkler Mitglied der Jusos.[3]
Münkler nahm ein Studium der Germanistik, der Politikwissenschaft und der Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main auf, das er 1977 mit dem 1. Staatsexamen für das Lehramt an Höheren Schulen in Deutsch und Sozialkunde beendete.[3] Danach arbeitete Münkler an seiner Dissertation über Machiavelli. Die Begründung des politischen Denkens der Neuzeit aus der Krise der Republik Florenz, die heute als Standardwerk gilt.[4] 1981 wurde er bei Iring Fetscher zum Dr. phil. promoviert. Ab 1982 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität angestellt. Dort habilitierte er sich 1987 mit einer Schrift zum Thema der Staatsraison, publiziert im S. Fischer Verlag unter dem Titel Im Namen des Staates: die Begründung der Staatsraison in der frühen Neuzeit[3] und erhielt die Venia Legendi für Politologie. Seine Dissertation und Habilitationsschrift waren richtungsweisend für sein späteres Schaffen.[5]
Münkler gehörte zu den Experten, die an dem vom Auswärtigen Amt durchgeführten Projekt Review 2014 – Außenpolitik Weiter Denken teilnahmen. In seinem Beitrag betonte er, dass die deutsche Außenpolitik an den Interessen Deutschlands, weniger an seinen Werten orientiert sei. Diese Tatsache müsse ehrlich kommuniziert werden, um die „demokratische Vulnerabilität“ deutscher Außenpolitik zu mindern.[9]
Neben seiner Arbeit über Machiavelli gelten die Werke Die neuen Kriege (2002) und Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten (2005) als herausragend.[10]
Das mit Iring Fetscher, seinem akademischen Lehrer, von 1985 bis 1993 herausgegebene Sammelwerk Pipers Handbuch der politischen Ideen gilt als „Standardwerk zur Ideengeschichte schlechthin“ (Jürgen Hartmann und Luise Sanders).[11]Walter Reese-Schäfer und Samuel Salzborn bezeichneten die Bände als „bedeutend“ und als „sehr umfangreichen Überblick“. Das Werk sei „in vieler Hinsicht vorbildlich […] und bis heute unerreicht“ geblieben.[12]
1993 legte Münkler im Campus-Verlag eine Einführung in die politische Philosophie von Thomas Hobbes vor. Münkler nehme eine „politikwissenschaftliche Perspektive“ ein, so der Trierer Philosoph Dieter Hüning, der kritisierte, dass der Autor die Moral- und Rechtsphilosophie „ausblende“ und neue angelsächsische Forschungsergebnisse „vernachlässige“.[13]
Zusammen mit seiner Gattin Marina verfasste Münkler das im Jahr 2000 im Verlag C. H. Beck erschienene Lexikon der Renaissance. In seiner Rezension bezeichnete der Frankfurter Rechtshistoriker und -philosoph Hans Erich Troje Münkler als einen der „derzeit am besten ausgewiesenen deutschen Renaissanceforscher“ und lobte letztlich die Sachkunde der Autorenschaft. Es sei ein zuverlässiges, „interessantes und belehrendes Unterhaltungsbuch“ entstanden, das zwar nicht als „Lexikon“, wohl aber über das Personenregister als „Nachschlagewerk“ fungieren könne. Er sprach weiterhin von einem „Lesegenuss“, welcher den „Ärger über den mit dem Begriff „Lexikon“ betriebenen Etikettenschwindel“ mindere.[14]
In seinem Buch Die neuen Kriege – das in den Übersichtsband Klassiker der Sozialwissenschaften. 100 Schlüsselwerke im Portrait aufgenommen wurde – vertritt Münkler die These, dass die konventionellen symmetrischen Kriege zwischen Staaten durch asymmetrische Kriege abgelöst worden seien.[10] Drei Elemente seien für diese neuen Kriege wesentlich: die „Entstaatlichung“, die „Asymmetrisierung“ und die „Automatisierung kriegerischer Gewalt“.[10]
Markus Holzinger lobte 2011 die argumentative Brillanz Münklers, merkt aber an, dass sich um dessen Thesen ein kontroverser Disput in der Fachwelt entwickelt habe.[15] So bezeichnete Raul Zelik das Buch Imperien als „Kampfschrift“, in der Münkler „der Elite jene Beschreibung der Weltlage souffliert, welche die Macht benötige, um als solche zu bestehen und sich neu positionieren zu können.“[16]G. John Ikenberry lobt diese Monografie (2005) als eine der „wenigen hervorragenden Schriften“ zum Thema Imperien.[17]
In Mitte und Maß (2010) gibt Münkler einen Überblick über griechische und chinesische Antike sowie europäisches Mittelalter und Moderne, um ein Rezept zum gemäßigten Zusammenleben in der deutschen Gegenwart anzubieten. Kritiker bemängeln, dass sich Mitte und Maß durch diese inhaltliche Überfrachtung der „Publizistik“ annähere. „So schrammt das Buch hart die Grenzen zum intelligenten, aber hoffnungslos überfrachteten Feuilleton“.[18]
2024 geht Münkler davon aus, dass die Phase der unipolaren Weltordnung beendet und eine von fünf Großmächten (USA, EU, Russland, China und Indien) dominierte Weltordnung im Entstehen sei. Dabei werde keine dieser Mächte eine unipolare globale Vorherrschaft anstreben, da allen die hohen Kosten dieser Position bewusst seien. Unsicher sei in dieser Konstellation die Rolle der EU, die von ihrer internen Einigkeit abhänge – wenn diese misslinge, steige die EU aus der Großmacht-Rolle ab.[19]
Münkler spricht sich dafür aus, ergänzend zu Wahlen auch Personen per Losverfahren für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben auf Kommunal- und z. T. auch Landesebene zu verpflichten. Er plädiert außerdem dafür, dass Unternehmen ehrenamtliche Tätigkeiten ihrer Beschäftigten dulden bzw. fördern.[20]
Münklers Publikationsliste umfasst Einzelwerke, Mitverfasser- und Mitherausgeberschaften sowie Aufsätze in Zeitschriften, Handbüchern und Lexika vorwiegend zur politischen Ideengeschichte und zur Theorie des Krieges.
Monographien
Machtzerfall. Die letzten Tage des Dritten Reiches dargestellt am Beispiel der hessischen Kreisstadt Friedberg. Siedler Verlag, Berlin 1985 (2., verb. u. erg. Auflage, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2005, ISBN 3-434-50592-X).
Odysseus und Kassandra. Politik im Mythos. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-596-27433-8.
Thomas Hobbes. Campus, Frankfurt am Main u. New York 2001, ISBN 3-593-36831-5.
Die neuen Kriege. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2002, ISBN 3-7632-5366-1.
Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2003, ISBN 3-934730-54-X.
Clausewitz’ Theorie des Krieges. Nomos, Baden-Baden 2003, ISBN 3-8329-0163-9.
Der neue Golfkrieg. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2003, ISBN 3-498-04490-7.
Machiavelli. Die Begründung des politischen Denkens der Neuzeit aus der Krise der Republik Florenz. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-596-16178-9.
Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Rowohlt Berlin, Berlin 2005, ISBN 3-87134-509-1.
Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2006, ISBN 3-938808-09-8.[26]
mit Iring Fetscher: Pipers Handbuch der politischen Ideen. 5 Bände, Piper, München 1985–1993.
Band 1: Frühe Hochkulturen und europäische Antike. 1988, ISBN 3-492-02951-5.
Band 2: Mittelalter: von den Anfängen des Islams bis zur Reformation. 1993, ISBN 3-492-02952-3.
Band 3: Neuzeit: von den Konfessionskriegen bis zur Aufklärung. 1985, ISBN 3-492-02953-1.
Band 4: Neuzeit: von der Französischen Revolution bis zum europäischen Nationalismus. 1986, ISBN 3-492-02954-X.
Band 5: Neuzeit: vom Zeitalter des Imperialismus bis zu den neuen sozialen Bewegungen. 1987, ISBN 3-492-02955-8.
Politisches Denken im 20. Jahrhundert. Ein Lesebuch. Piper, München 1997, ISBN 3-492-21987-X.
Konzeptionen der Gerechtigkeit: Kulturvergleich – Ideengeschichte – moderne Debatte. Nomos, Baden-Baden 1999, ISBN 3-7890-5895-5.
Der demokratische Nationalstaat in den Zeiten der Globalisierung: politische Leitideen für das 21. Jahrhundert. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003756-3.
Politikwissenschaft. Ein Grundkurs. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2003, ISBN 3-499-55648-0.
Forschungsberichte der interdisziplinären Arbeitsgruppen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Band I–IV, jeweils hrsg. von Herfried Münkler und Harald Bluhm:
Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe. Akademie Verlag, Berlin, 2001. (Bd. I)
Gemeinwohl und Gemeinsinn. Rhetoriken und Perspektiven sozial-moralischer Orientierung. Akademie Verlag, Berlin 2002. (Bd. II)
Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht. Konkretisierung und Realisierung öffentlicher Interessen. Akademie Verlag, Berlin 2002. (Bd. III)
Gemeinwohl und Gemeinsinn. Zwischen Normativität und Faktizität. Akademie Verlag, Berlin 2002. (Bd. IV)
mit Eva Marlene Hausteiner: Die Legitimation von Imperien. Strategien und Motive im 19. und 20. Jahrhundert. Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2012, ISBN 978-3-593-39784-9.
Literatur
Herfried Münkler in: Internationales Biographisches Archiv 12/2011 vom 22. März 2011 (rw) Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 38/2015, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Wolfgang Röhr (Hrsg.): Herfried Münklers Herausforderung an die hegemonische Denkweise des Politischen. Kann man einen in Deutschland blockierten Diskurs über die republikanische Einbettung des Demokratischen aufbrechen? Ad Fontes, Hamburg 2001, ISBN 3-932681-33-9.
Herfried Münkler. In: Der Spiegel, Essay Sicherheit und Risiko 13/2011, S. 134–135.
Bernd Schlipphak: Herfried Münkler: Die neuen Kriege. In: Samuel Salzborn (Hrsg.): Klassiker der Sozialwissenschaften. 100 Schlüsselwerke im Portrait. Springer VS, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-03473-3, S. 377–381.
↑ abcdeHerfried Münkler Internationales Biographisches Archiv 12/2011 vom 22. März 2011 (rw) Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 45/2013, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
↑Oliver Hidalgo: Wandlungen des Theologisch-Politischen und die sprachliche Geburt der Moderne – Dante Alighieri, Marsilius von Padua, Niccolö Machiavell. In: Oliver Hidalgo, Kai Nonnenmacher (Hrsg.): Die sprachliche Formierung der politischen Moderne: Spätmittelalter und Renaissance in Italien (= Politisches Denken und literarische Form). Springer, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-08049-5, S. 155–182, hier: S. 177.
↑Hendrik Hansen: Herfried Münkler (geboren 1951). In: Eckhard Jesse, Sebastian Liebold (Hrsg.): Deutsche Politikwissenschaftler – Werk und Wirkung. Von Abendroth bis Zellentin. Nomos, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-8329-7647-7, S. 539–553, hier: S. 541.
↑ abcdefghijklmHendrik Hansen: Herfried Münkler (geboren 1951). In: Eckhard Jesse, Sebastian Liebold (Hrsg.): Deutsche Politikwissenschaftler – Werk und Wirkung. Von Abendroth bis Zellentin. Nomos, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-8329-7647-7, S. 539–553, hier: S. 540.
↑ abHendrik Hansen: Herfried Münkler (geboren 1951). In: Eckhard Jesse, Sebastian Liebold (Hrsg.): Deutsche Politikwissenschaftler – Werk und Wirkung. Von Abendroth bis Zellentin. Nomos, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-8329-7647-7, S. 539–553, hier: S. 548.
↑siehe vermerkte Schüler (Bluhm, Bohlender, Fischer, Llanque, Mehring, Weichlein, Diehl, Straßenberger und Hempel): Hendrik Hansen: Herfried Münkler (geboren 1951). In: Eckhard Jesse, Sebastian Liebold (Hrsg.): Deutsche Politikwissenschaftler – Werk und Wirkung. Von Abendroth bis Zellentin. Nomos, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-8329-7647-7, S. 539–553, hier: S. 549.
↑ abcBernd Schlipphak: Herfried Münkler: Die neuen Kriege. In: Samuel Salzborn (Hrsg.): Klassiker der Sozialwissenschaften. 100 Schlüsselwerke im Portrait. Springer VS, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-03473-3, S. 377–381, hier: S. 378.
↑Jürgen Hartmann, Luise Sanders: Literaturkompass Politikwissenschaft: Einführung in die politikwissenschaftliche Literatur (= Lehrbuch). Springer VS, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-658-00162-9, S. 108.
↑Walter Reese-Schäfer, Samuel Salzborn: Wen deklariert die Politikwissenschaft zum Klassiker?. Daten und Fakten. In: Ders. (Hrsg.): „Die Stimme des Intellekts ist leise“. Klassiker/innen des politischen Denkens abseits des Mainstreams (= Schriftenreihe der Sektion Politische Theorie und Ideengeschichte der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft. Bd. 30). Nomos, Baden-Baden 2015, ISBN 978-3-8487-2054-5, S. 17–40, hier: S. 19 f., 29.
↑Dieter Hüning: Thomas Hobbes [Rezension]. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 41,4 (1993), S. 778–780.
↑Hans Erich Troje: Lexikon der Renaissance [Rezension]. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Germanistische Abteilung 119 (2002), S. 635–636.
↑Markus Holzinger: Wandel des Krieges und Transformation der Streitkräfte. Analysen zum Krieg und zur aktuellen sicherheitspolitischen Lage. In: Soziologische Revue 24 (2011), S. 319–329, hier: S. 326.
↑G. John Ikenberry: Reviewed Work: Empires by Herfried Münkler. In: Foreign Affairs. Band87, Nr.1, 2008, ISSN0015-7120, S.175.
↑JJH: Reviewed Work: Mitte und Maß. Der Kampf um die richtige Ordnung by Herfried Münkler. In: Journal for Comparative Government and European Policy. Band9, Nr.1, 2011, ISSN1610-7780, S.161.