In der Not der Nachkriegsjahre redete Keller 1948 in strengen Worten denjenigen ins Gewissen, die den Flüchtlingen nicht halfen, und prangerte Wucherer und Ausbeuter an, und zwar auf eine für Bischöfe seiner Zeit ungewöhnliche Art: Seine Mahnungen und Forderungen ließ er als Plakate an den Kirchen aushängen.[15] Um der Gerechtigkeit willen setzte er sich für eine Umverteilung des vorhandenen Eigentums ein und wollte dazu „den Besitzenden schmerzliche Opfer auferlegen“.[16]
Er förderte die maßgeblich von Albrecht Beckel entwickelten „Sozialen Seminare“ zur Katholischen Soziallehre, mit denen das Bistum Münster allen deutschen Bistümern voranging.[17] In Hirtenbriefen machte er auf den christlichen Erziehungsauftrag der Eltern aufmerksam. Er förderte den Priesterberuf;[18] den Priestermangel bezeichnete er als seine größte Sorge als Bischof.[19] Er war maßgeblich am Wiederaufbau des Collegium Borromaeum Münster, des Collegium Ludgerianum, des Collegium Johanneum, des Collegium Augustinianum Gaesdonck, des St.-Pius-Kolleg Coesfeld und der Katholischen Akademie Franz-Hitze-Haus beteiligt. Unter seiner Ägide wurden die Pfarreien mit über 10.000 Gläubigen umstrukturiert. Von 1950 bis 1960 wurde 165 neue Kirchen fertiggestellt, weitere 23 waren in seinem Todesjahr im Bau oder in der Bauvorbereitung.[20]
Ein weiteres großes Anliegen waren ihm die Weltmission und Entwicklungshilfe durch die Ausbildung einheimischer Fachkräfte.[21] Keller war der erste deutsche Bischof, der 1956 – zusammen mit Julius Angerhausen – die katholischen Missionen in Afrika besuchte.[22] Auf Einladung des Benediktinerpaters Thomas Ohm reiste er durch Ost- und Südafrika.[23] Er verurteilte die Apartheid-Politik in Südafrika.[24]
In Kellers Amtszeit fiel der Wiederaufbau des St.-Paulus-Doms, der im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden war. Keller setzte gegen den Widerstand von Bevölkerung und Denkmalpflege durch, dass das architektonisch bedeutsame Westwerk mit dem Hauptportal nicht restauriert, sondern durch einfache, im Kreis angeordnete Fenster ersetzt wurde. Der Haupteingang führt seitdem durch das Paradies. Im Volksmund wurden die von Keller gebilligten Fenster als „Kellerfenster“, „Wählscheibe Gottes“ oder als „Seelenbrause“ bezeichnet.[25]
Als Bischof erhielt Keller Kenntnis von 55 Betroffenen, die Übergriffe durch Priester erlitten hatten.[26] Er verharmloste die Vergehen und Straftaten, versetzte Täter auf andere Stellen und glaubte, Wiederholungen durch Therapien und Laisierungen verhindern zu können.[27] Ob er mit Betroffenen sprach und sie um Vergebung bat, ist nicht bekannt.[28] Nachdem 2022 dieses Versagen als Bischof durch eine wissenschaftliche Studie bekannt geworden war, wurde die Bischofsgruft im St.-Paulus-Dom mit einem Hinweistext auf die Verfehlungen der dort beigesetzten Bischöfe Michael Keller, Heinrich Tenhumberg und Reinhard Lettmann versehen und bis auf Weiteres für Besucher gesperrt.[29]
Bischof Michael Keller verstarb in der Nacht nach seinem 40-jährigen Priesterjubiläum an einem Herzinfarkt. Am 11. November 1961 erfolgte die Beisetzung im Westchor des St.-Paulus-Doms in Münster. Die Trauerfeier mit Abertausenden von Gläubigen, darunter 18 Bischöfe, zelebrierte Kardinal Frings.[30]
Iter para tutum. Apostolat in der modernen Welt. Hirtenworte des Bischofs von Münster. Herausgegeben von Laurenz Böggering. Aschendorff, Münster 1961.
Literatur
Sebastian Eck: Michael Keller (1896-1961) – Genese und Profil seiner seelsorglichen Konzeptionen. Dialogverlag, Münster 2011. ISBN 978-3-941462-61-8.
Heinz Hürten: Michael Keller (1896–1961). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Band 4. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1980, ISBN 3-7867-0833-9, S. 208–224 (Nachdruck bei Aschendorff, Münster 2022, Digitalisat).
Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962.
Joseph Leufkens (Hrsg.): Michael Bischof von Münster. Ein Gedenkblatt zur Weihe und Inthronisation am Fest der Apostel Simon und Judas, dem 28. Oktober 1947. Aschendorff Verlag, Münster 1947.
↑Wilhelm Gillmann: Auf dem Weg zum Priestertum. In: Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 15–37, hier S. 16.
↑ abcGottlieb Tesmer, Walther Müller: Ehrentafel der Thomasschule zu Leipzig. Die Lehrer und Abiturienten der Thomasschule zu Leipzig 1912–1932. Im Auftrag des Thomanerbundes, Selbstverlag, Leipzig 1934, S. 23.
↑Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 11.
↑Wilhelm Gillmann: Auf dem Weg zum Priestertum. In: Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 15–37, hier S. 31.
↑Hubert Wolf: Antimodernismus und Modernismus in der katholischen Kirche. Beiträge zum theologiegeschichtlichen Vorfeld des II. Vaticanums. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 1998, ISBN 3-506-73762-7, S. 360.
↑Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 12 und 16.
↑Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 13.
↑Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 14.
↑Michael Keller: Iter para tutum. Apostolat in der modernen Welt. Hirtenworte des Bischofs von Münster. Aschendorff, Münster 1961.
↑Heinrich Portmann: Damals, als der Bischof kam. In: Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 54–62, hier S. 59–60.
↑Heinz Hürten: Michael Keller (1896–1961). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 4. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1980, S. 208–224, hier S. 211.
↑Heinz Hürten: Michael Keller (1896–1961). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 4. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1980, S. 208–224, hier S. 219.
↑Heinz Hürten: Michael Keller (1896–1961). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 4. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1980, S. 208–224, hier S. 221.
↑Heinz Hürten: Michael Keller (1896–1961). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 4. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1980, S. 208–224, hier S. 216–217.
↑Zitiert nach Heinz Hürten: Michael Keller (1896–1961). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 4. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1980, S. 208–224, Zitat S. 217.
↑Heinz Hürten: Michael Keller (1896–1961). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 4. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1980, S. 208–224, hier S. 219–220.
↑Heinz Hürten: Michael Keller (1896–1961). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 4. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1980, S. 208–224, hier S. 211–212.
↑Paul Reher-Baumeister: Zur Freiheit erziehen. Der Bischof und seine Kollegien. In: Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 88–99, hier S. 98.
↑Michael Schmolke: Bischof Michael als Bauherr. In: Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 105–106, hier S. 105.
↑Franz-Josef Eilers: „Das darf uns keine Ruge lassen!“ Bischof Michaels Sorge um die Weltmission. In: Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 100–104, hier S. 100 und 103.
↑Bernhard Niehues: Krankheit und Tod des Bischofs. In: Franz Kroos (Hrsg.): Dr. Michael Keller, Bischof von Münster. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1962, S. 63–80, hier S. 63–64.
↑Julius Angerhausen: Brückenschlag nach Afrika. Verlag Haus Altenberg, Düsseldorf 1957.
↑Heinz Hürten: Michael Keller (1896–1961). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 4. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1980, S. 208–224, hier S. 222.
↑Die Wählscheibe, Der Spiegel, Nr. 51, 14. Dezember 1955, S. 46 ff.
↑Bernhard Frings, Thomas Großbölting, Klaus Große Kracht, Natalie Powroznik, David Rüschenschmidt: Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945. Herder, Freiburg 2022, S. 301.
↑Bernhard Frings und andere: Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945. Herder, Freiburg 2022, S. 409–411, 449, 455 und 502–506.
↑Bernhard Frings und andere: Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945. Herder, Freiburg 2022, S. 507.