Muhammad Yunus, das dritte von neun Kindern einer muslimischen Familie, wurde am 28. Juni 1940 in der Ortschaft Bathua im Distrikt Chittagong im ehemaligen Bengalen in Indien, dem heutigen Bangladesch, geboren. Seine Eltern waren der Juwelier Hazi Dula Mia Shoudagar und Sufia Khatun. Seine frühe Kindheit verbrachte er in seinem Heimatdorf, bis die Familie 1944 in die Stadt Chittagong zog. Dort besuchte er die Lamabazar Primary School. Später bestand er die Reifeprüfung an der Chittagong Collegiate School und war dabei unter den besten sechzehn von 39.000 Studenten im damaligen Ostpakistan. Während seiner Schulzeit war Yunus aktiver Pfadfinder. Er reiste 1952 nach West-Pakistan und Indien und 1955 nach Kanada, um an Jamborees teilzunehmen.
Als Geschäftsführer der Grameen Bank wurde Yunus 2011 aus Altersgründen entlassen; er ging erfolglos gerichtlich gegen seine Entlassung vor.[1][2] Er warf in diesem Zusammenhang der Regierung von Bangladesch vor, die Grameen Bank unter ihre Kontrolle bringen zu wollen. Die Bank würde zu einer Organisation der Regierung werden und sein Lebenswerk würde durch Misswirtschaft, Ineffizienz und Profitstreben gefährdet.[3] Seit März 2010 ist Yunus im Dokumentarfilm Die 4. Revolution – EnergyAutonomy zu sehen. Im Jahr 2011 gehörte Yunus einer Jury aus renommierten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens an, die an der Auswahl des universellen Logos für Menschenrechte beteiligt waren.[4] Im Oktober 2012 wurde Yunus Chancellor der Glasgow Caledonian University in Schottland.[5][6]
In den 2020er Jahren geriet Yunus zunehmend in Konflikt mit Premierministerin Hasina Wajed. Sie bezeichnete ihn als „Blutsauger der Armen“ und beschuldigte die Grameen Bank des Zinswuchers bei der Kreditvergabe. Nach Darstellung von Anhängern Yunus’ waren diese Vorwürfe politisch motiviert, weil Yunus die Gründung einer politischen Partei erwogen habe, die eine Konkurrenz zur Regierungspartei Awami-Liga gewesen wäre.[7]
Am 1. Januar 2024 verurteilte ein Gericht in Bangladesch Yunus erstinstanzlich zu einer sechsmonatigen Haftstrafe. Er und drei weitere Angeklagte, die dem von Yunus gegründeten Unternehmen Grameen Telecom angehörten, wurden für schuldig befunden, vorschriftswidrig die Gründung eines Sozialfonds für die Beschäftigten unterlassen zu haben. Yunus bestritt jegliches Fehlverhalten; er und seine Anwälte bezeichneten das Verfahren als rechtswidrig und politisch motiviert und kündigten an, Berufung einzulegen. Alle Angeklagten blieben gegen Kaution auf freiem Fuß. Die UN-Sonderberichterstatterin Irene Khan, die bei der Urteilsverkündung zugegen war, bezeichnete die Verurteilung als „Justizposse“. Bereits im August 2023 hatten 170 internationale Prominente, darunter die ehemalige US-amerikanische Außenministerin Hillary Clinton, der britische Unternehmer Richard Branson und der irische Musiker Bono, die Premierministerin aufgefordert, die „fortwährende juristische Belästigung“ Yunus’ zu beenden.[7]
Nach gewaltsamen Protesten und der Flucht der Regierungschefin Scheich Hasina im August 2024 wurde seitens der Armee eine Übergangsregierung angekündigt. In der Nacht auf den 7. August 2024 verkündete Präsident Mohammed Shahabuddin, dass er sich mit den Spitzen des Militärs und den Sprechern der Studentenbewegung auf Muhammad Yunus als vorläufigen Regierungschef geeinigt habe, der das Land bis zur Abhaltung von Neuwahlen führen soll.[8][9] Am 8. August 2024 wurde Yunus in diesem Amt vereidigt.[10]
Nach Yunus’ Vorstellungen muss „die Struktur des Kapitalismus vervollständigt werden“ durch die Einführung von Sozialunternehmen. Der Zweck dieser Unternehmen soll nicht die Gewinnmaximierung sein, sondern die Lösung von sozialen und Umweltproblemen. „Wenn man die profit-maximierende Brille abnimmt und zur sozialen Brille greift, sieht man die Welt in einer anderen Perspektive“, meinte er. Falls ein Gewinn anfalle, werde er in das Unternehmen reinvestiert. Die Anteilseigner verdienen nichts, können ihr Kapital jedoch mit der Zeit zurückerhalten. Attraktiv sei eine derartige Geldanlage für Menschen, die Gutes tun wollen, wovon es nach Yunus’ Überzeugung viele gibt.
Werke
Ein anderer Kapitalismus ist machbar. Wie Social Business Armut beseitigt, Arbeitslosigkeit abschafft und Nachhaltigkeit fördert. Unter Mitarbeit von Karl Weber. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2018, ISBN 978-3-579-08715-3 (englisch: A World of Three Zeros. The New Economies of Zero Poverty, Zero Unemployment, and Zero Net Carbon Emissions. Übersetzt von Monika Ottermann).
Social Business. Von der Vision zur Tat. Hanser, München 2010, ISBN 978-3-446-42351-0 (englisch: Building Social Business. Übersetzt von Werner Roller).
Die Armut besiegen. Hanser, München 2008, ISBN 978-3-446-41236-1 (englisch: Creating a world without poverty. Übersetzt von Stephan Gebauer).
Für eine Welt ohne Armut. Die Autobiographie des Friedensnobelpreisträgers. Lübbe, Bergisch Gladbach 2006, ISBN 3-404-28513-1 (französisch: Vers un monde sans pauvreté. Übersetzt von Helmut Mennicken).
Literatur
Peter Spiegel: Muhammad Yunus – Banker der Armen. Der Friedensnobelpreisträger; sein Leben, seine Vision, seine Wirkung. Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau, Basel, Wien 2006, ISBN 3-451-05880-4.
↑Jona Spreter, AFP, AP: Bangladesch: Studenten fordern Muhammad Yunus als Chef von Übergangsregierung. In: Die Zeit. 6. August 2024, ISSN0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 6. August 2024]).
↑Yunus, Muhammad. Ramon Magsaysay Award Foundation, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Oktober 2016; abgerufen am 2. Januar 2024 (englisch).