NecronomiconDas Necronomicon ist ein fiktives Zauberbuch, das Anfang des 20. Jahrhunderts von H. P. Lovecraft erdacht wurde. Das Buch ist ein Teil des Cthulhu-Mythos, wobei es in die Horror- und Fantasyliteratur eingegangen ist und wie kaum ein anderes zahlreiche andere Autoren zu Geschichten um dieses Werk inspiriert hat. Es hat dabei seinen ganz eigenen Mythos entwickelt. EtymologieWie Lovecraft in einem Brief an Harry O. Fischer im Jahr 1937 schrieb, ist der Titel Griechisch und übersetzt sich: nekros νεκρός ‚Leichnam‘, nomos νόμος ‚Gesetz‘, eikon εἰκών ‚Abbild‘, ‚Ebenbild‘ ‚Bild‘, womit sich als Bedeutung Ein Abbild des Gesetzes der Toten ergibt.[1] Neben dieser Etymologie von Lovecraft selbst gibt es andere Möglichkeiten der Herleitung, die wahrscheinlich sprachwissenschaftlich korrekter sind:
Außerdem taucht manchmal als Übersetzung: Das Buch der toten Namen auf – von onoma όνομά ‚Name‘[3]. Lovecrafts NecronomiconDas Necronomicon wurde von Lovecraft 1922 zum ersten Mal namentlich in der Erzählung The Hound erwähnt, die 1924 veröffentlicht wurde. Seinen eigenen Briefen zufolge fiel ihm dieser Name in einem Traum ein.[4] Der Titel Necronomicon ist unlösbar mit dem Namen des Autors verknüpft, dem verrückten Araber Abdul Alhazred (dessen Name, englisch ausgesprochen, all has read, also in etwa Der alles gelesen hat bedeutet). Das Necronomicon stellt in Lovecrafts Geschichten ein Mysterium dar. Sein erstes Erscheinen fand nicht durch die Erwähnung seines Titels, sondern durch seinen fiktiven Autor und ein Inhaltsfragment statt (The Nameless City, erschienen 1921). Lovecraft macht in all seinen Geschichten nur Andeutungen zum Inhalt des Buches und bezeichnet es immer als „grässlich, gefährlich, monströs“ und verboten. Während Lovecraft naturwissenschaftlich und materialistisch orientiert war und seine Erzählungen dies auch widerspiegeln, gab ihm die Verwendung des Necronomicon eine erzählerische „Hintertür“ zur Mystik, über die er seine Liebe zur Poesie und lebhaften Prosa einbringen konnte.[5] Chronologie der Fiktion bei LovecraftGeorge T. Wetzel glaubte, dass Lovecraft bereits 1919 in der Kurzgeschichte Die Aussage des Randolph Carter auf das Necronomicon anspielte, ohne es explizit zu nennen'.[6] Diese Annahme ist vermutlich falsch, da das erwähnte „teuflische Buch“ weder in arabischer, noch in einer anderen, Carter geläufigen Sprache verfasst wurde, sondern mit Schriftzeichen geschrieben war, die er nie zuvor gesehen hatte.[7]
Rezeption zu LebzeitenLovecraft wurde oft mit Fragen nach dem fiktiven Buch konfrontiert und musste in vielen Briefen an die Fragesteller „gestehen“, das Necronomicon erfunden zu haben.[4] Besonders viel Aufmerksamkeit erregte das Erscheinen des Buches in Erzählungen anderer Autoren, bei denen Lovecraft das Necronomicon als Scherz einbaute.[9] Später verwendeten andere Autoren auf Basis ihres Briefkontaktes mit Lovecraft ebenfalls dessen Schöpfungen. Das Essay zur Geschichte des Necronomicon wurde zwar erst nach Lovecrafts Tod veröffentlicht, er kommunizierte dessen Inhalt aber bereits 1927 bruchstückhaft in Briefen an seine Schriftstellerkollegen und Brieffreunde, wie zum Beispiel Clark Ashton Smith.[10] Der Eindruck der tatsächlichen Existenz eines Necronomicon wird von Lovecraft bestärkt, indem er die Ausgaben des Buches in den Romanen als „Raritäten“ darstellt, die nur im Besitz ganz weniger Bibliotheken seien, sowie dadurch, dass der Inhalt des fiktiven Necronomicon von den Protagonisten in Lovecrafts Werken sehr ernst genommen wird.[11] Fiktive Geschichte des NecronomiconsDie wichtigste Darstellung der Fiktion ist ein kurzer Essay von H. P. Lovecraft aus dem Jahr 1927, der aber erst 1938 allgemein veröffentlicht wurde: History of the Necronomicon (deutscher Titel: Geschichte und Chronologie des Necronomicons). Darin ist knapp die Geschichte des Buches beschrieben, vom ursprünglichen Autor über mittelalterliche Abschriften und Übersetzungen bis hin zu moderneren Ausgaben, die in seinen Geschichten von den Protagonisten konsultiert oder zitiert werden. Das „Arabische Original“: Das Kitab Al'AzifDer ursprüngliche Text des Necronomicon stammt von Abdul Alhazred. Dabei ist Abdul Alhazred der Name, den Lovecraft schon im Alter von fünf Jahren als Pseudonym für sich verwendete, nachdem er ihn von einem älteren Verwandten, wegen seiner Liebe zum Orient der 1001 Nacht Geschichten, vorgeschlagen bekommen hatte.[12] Für seine Geschichte und Chronologie des Necronomicon erdachte Lovecraft noch einige weitere Details dieser Figur: Abdul Alhazred war ein wahnsinniger Lyriker aus Sanaa im Jemen, der um das Jahr 700 n. Chr. lebte. Er erforschte die Geheimnisse der vergangenen Hochkulturen von Ägypten und Babylon und durchwanderte zehn Jahre die innerarabische Wüste, die viele Gefahren und Mysterien beherbergen sollte. Er soll bis in das sagenumwobene Irem (Iram), die „Stadt der Säulen“, vorgedrungen sein und unter den Ruinen einer Wüstenstadt die Geheimnisse und Aufzeichnungen aus einer Kultur gefunden haben, die lange vor der Menschheit lebte. In seinem Wahn hatte er nicht viel für den Islam übrig, sondern verehrte unbekannte Wesen, die er Yog-Sothoth und Cthulhu nannte. Nach seinen Wanderungen ließ er sich in Damaskus nieder, wo er ab etwa 730 n. Chr. am Manuskript des Kitab Al'Azif arbeitete – dem Buch vom Summen (Kitab = Buch; Al = der, die, das …; Azif = Summen), das heißt von dem Geräusch, das die Wüstendämonen machen. Über sein Ende oder sein Verschwinden im Jahre 738 n. Chr. scheiden sich die Geister. So erzählt Ebn Khallikan, ein Biograf aus dem 12. Jahrhundert – ebenfalls eine von Lovecraft erdachte Gestalt, die auf Ibn Challikan, einen kurdischen Biografen des 13. Jahrhunderts anspielte –, dass Alhazred in vollem Tageslicht von einem unsichtbaren Schrecken verschlungen wurde, während die Zeugen des Geschehens, gelähmt vor Angst, nur zusehen konnten.[13] Die arabische „Originalversion“ oder auch eventuelle Kopien waren entsprechend einer Bemerkung im Vorwort der lateinischen Übersetzung bereits im 13. Jahrhundert verschollen. Anfang des 20. Jahrhunderts soll jedoch eine Kopie in San Francisco aufgetaucht sein, die aber bei einem Feuer zerstört wurde.[14] Bemerkung: Diese Version des Necronomicons wurde am besten von Lovecraft ausgearbeitet, wird von ihm jedoch nur einmal – und das auch nur in einer Revisionsgeschichte – erwähnt (The Last Test [dt. Das letzte Experiment] für Adolphe De Castro).[15] Die „Griechische Übersetzung“Lovecraft setzt seine Geschichte des Zauberbuchs im europäischen Mittelalter fort: Unter den Philosophen dieser Zeit soll es unter der Hand herumgereicht worden sein. 950 n. Chr. wurde das Azif dann heimlich von Theodorus Philetas von Konstantinopel ins Griechische übersetzt. Von ihm stammt auch der bekannte Titel Necronomicon. Es muss mehrere Manuskripte gegeben haben, die auch viele der Abbildungen genau reproduzierten und ein Jahrhundert lang zu schrecklichen Experimenten geführt haben, bis das Necronomicon um 1050 vom Patriarchen Michael verboten und verbrannt wurde. Lovecraft führt weiterhin aus, dass eine zwischen 1500 und 1550 in Italien gedruckte Version bei dem Brand der Bibliothek einer gewissen Person in Salem im Jahre 1692 zerstört wurde. Seitdem wurde keine griechische Fassung mehr gesehen, bis auf Gerüchte, dass die Familie Pickman eine griechische Ausgabe aus dem 16. Jahrhundert besessen habe, die aber zusammen mit dem Künstler R. U. Pickman im Jahre 1926 verschwunden sei.[13] Die „Lateinische Übersetzung“1228 übersetzte nach Lovecrafts Fiktion ein „Olaus Wormius“ (eine von Lovecraft erfundene Gestalt, die nur den Namen mit der historischen Person Olaus Wormius gemeinsam hat) eine der griechischen Fassungen ins Lateinische. Papst Gregor IX. habe kurz nach dem Erscheinen der lateinischen Version 1232 sowohl diese als auch die griechische Ausgabe verboten. Lovecraft berichtet außerdem von zwei gedruckten Auflagen des lateinischen Manuskripts – zuerst im 15. Jahrhundert in Deutschland in Frakturschrift und danach einmal im 17. Jahrhundert in Spanien. Beide Versionen weisen anscheinend keine besonderen Merkmale auf und ihre Herkunft und Datierung könnten nur anhand ihrer Typografien bestimmt werden. Entsprechend Lovecrafts Geschichte und Chronologie des Necronomicon liegt eine Ausgabe aus dem 15. Jahrhundert im British Museum unter Verschluss, während die Druckfassungen des 17. Jahrhunderts in der Französischen Nationalbibliothek in Paris, der Widener Library in Harvard, der Bibliothek der Miskatonic University in Arkham und der Bibliothek der Universität von Buenos Aires aufzufinden sein sollen. Eine weitere Ausgabe aus dem 15. Jahrhundert soll sich in der Sammlung eines bekannten amerikanischen Millionärs befinden und es sollen noch weitere Kopien im Verborgenen liegen.[13] Bemerkung: Das Manuskript von Olaus Wormius soll ausgiebig mit stilisierten Holzschnitten nach Vorbildern des arabischen Originals verziert gewesen sein. Die „Englische Übersetzung“Der englische Mathematiker und Astrologe John Dee soll das Buch im Jahre 1586 ins Englische übersetzt haben. Die Übersetzung sei niemals gedruckt worden und nur noch in Bruchstücken erhalten. Weitere Eckpunkte anderer Autoren
Eine große Zahl weiterer Eckpunkte wurden von Autoren des Rollenspiels Call of Cthulhu erfunden.[26] InhaltLovecraft hat als Inhalt des Necronomicons eine Art dämonischer Kosmologie sowie Zauberanleitungen erfunden. Demzufolge seien Informationen über die Älteren Wesen und ihre Zivilisation zur Zeit der Entstehung der Erde, über Schlangenmenschen und verschiedene Kultstätten im nahöstlichen Raum enthalten. Außerdem berichte das Buch über die Kulte der Götter Azathoth, Cthulhu, Nyarlathotep, Shub-Niggurath, Tsathoggua und Yog-Sothoth aus dem Mythos, den der Horrorautor in das Zentrum seines Schaffens gestellt hat. Das Necronomicon behandle nicht nur ihre Herkunft und ihre Geschichte, sondern enthalte auch zahlreiche Zauberformeln und Rituale zur Anrufung dieser „Großen Alten“. Das Buch soll etwa 1000 Seiten[27] voller verschlüsselter Andeutungen und Doppeldeutigkeiten enthalten, in denen verschiedene magische Anweisungen verborgen seien. Die meisten Bedeutungen und Zaubersprüche seien mit den verschiedenen Stufen der fiktiven Übersetzungen verloren gegangen. Das Necronomicon enthalte:
Fällt dieses Buch einem Menschen in die Hände, der die schwarzen Künste beherrscht, so könne er mit dessen Hilfe über die Dämonen gebieten und sich ihre Fähigkeiten zu Nutze machen. Mit den Zauberformeln sei es dem Magier möglich, durch Portale in andere Dimensionen zu schlüpfen und Tote zum Leben zu erwecken. Doch schon allein das Lesen dieses Buches könne verheerende Konsequenzen haben. Lovecrafts Inspirationen und einige FaktenAls Quelle für Lovecrafts Schöpfung kommt Lord Dunsany in Frage, ein literarisches Vorbild Lovecrafts. Der irische Adlige war bekannt für sein außerordentliches Interesse an okkulten Geheimnissen und ein Vertrauter des Dichters William Butler Yeats. Lord Dunsany verfasste zahlreiche fantastische Erzählungen, die auf einer eigenständigen Mythologie beruhen. Es steht außer Frage, dass er einen wesentlichen Einfluss auf das literarische Schaffen des jungen Lovecraft ausübte. Dies belegt ein im Jahr 1922 von Lovecraft verfasster Aufsatz, in dem er Lord Dunsany als „den vielleicht einzigartigen, originellsten und fantasievollsten unter den derzeit lebenden Autoren“ bezeichnet. Der wirkliche Olaus Wormius lebte im 16. Jahrhundert. Es gibt jedoch Geschichten, in denen sowohl der wirkliche Olaus Wormius erwähnt wird als auch Olaus Wormius „der Ältere“, also Lovecrafts Wormius. Der „Ältere Wormius“ ist aber erfunden. Mit dem Necronomicon konnte Lovecraft seine Kurzgeschichten in einen gemeinsamen Kontext stellen und damit ihre unheimliche Wirkung verstärken. Eine ähnliche Rolle spielten weitere fiktive Werke wie die Pnakotischen Manuskripte oder auch reale Werke wie die Daemonolatreia des Nicolaus Remigius von 1595. Lovecraft ermunterte andere Autoren dazu, seine Erfindung in ihren Geschichten zu verwenden, und benutzte im Gegenzug deren fiktive Bücher (zum Beispiel die Ponape Schrift (nach Lin Carter), das Liber Ivonis/ Livre d'Eibon/ Book of Eibon (nach Clark Ashton Smith), von Junzts Unaussprechlichen Kulten [sic!] (nach Robert E. Howard), das De Vermis Mysteriis von Ludvig Prinn und die Cultes des ghoules des Comte d'Erlette (beide nach Robert Bloch)) in seinen Geschichten. Weiterführung durch andere AutorenEine limitierte broschierte Edition Al Azif: The Necronomicon von Lyon Sprague de Camp, 1973 veröffentlicht bei Wildside PR, soll den Eindruck einer mysteriösen Handschrift vermitteln, die in einer als Duriac bezeichneten Sprache abgefasst ist, wie Sprague de Camp im Vorwort schreibt. Auch wenn im Vorwort vor einer Übersetzung oder lauten Lesung gewarnt wird, so erweist sich das Ganze bei näherem Hinschauen als Schwindel. Denn die außerordentlich verschnörkelten Zeichen, welche durchaus etwas an die arabische Schrift, aber mehr noch an das syrische Alphabet erinnern, sind derart ineinander verknotet, dass eine Entwirrung fast unmöglich scheint. Mehr noch: Der Text entpuppt sich als Wiederholung von Textbögen des Buches, so dass im Grunde nur höchstens weniger als ein Drittel des Buches als fortlaufender Text gesehen werden kann, während in den anderen zwei Dritteln des Buches dieser nur mehrfach wiederholt wird. Und das in einer Präzision, die nur Vervielfältigungsmaschinen bewerkstelligen können. Das Geheimnisvolle liegt hier nur in der Mühe des Schreibers, der viel Energie aufbringen musste, eine fiktive Schrift über dutzende Seiten „stilecht“ durchzuhalten. Erwähnungen in der PopkulturDas Necronomicon wird verschiedentlich in Romanen, Filmen, der Popmusik und Computerspielen erwähnt. Die folgenden Listen führen einige Beispiele auf: Literatur
Film und Fernsehen
Musik
Computerspiele (Auswahl)
Einzelnachweise
Literatur
Weblinks
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