Die Bundesregierung wird seit 1929 vom Bundespräsidenten ernannt (bis dahin wurde sie seit 1920 vom Nationalrat gewählt), wobei er bei der Ernennung des Bundeskanzlers an keine rechtlichen Vorgaben gebunden ist. Bei der Ernennung der übrigen Mitglieder der Bundesregierung ist er auf den Vorschlag des Bundeskanzlers angewiesen (wobei er die Ernennung jedoch verweigern kann). Mit ihrer Ernennung und Angelobung ist die Regierung unmittelbar voll funktionsfähig. Eine gesonderte Bestätigung durch den Nationalrat ist nicht erforderlich. Da jedoch der Bundespräsident infolge eines Misstrauensvotums des Nationalrats verpflichtet wäre, die Bundesregierung zu entlassen, sind die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse bei ihrer Ernennung von ausschlaggebender Bedeutung. (Bei Nationalratswahlen pflegen die Parteien ihre Spitzenkandidaten als künftige Bundeskanzler zu bewerben; dies stellt sich in der Realität je nach Wahlergebnis als Vorgabe für den Bundespräsidenten dar.)
Von dieser rechtlichen Verpflichtung abgesehen, kann der Bundespräsident den Bundeskanzler oder die gesamte Bundesregierung jederzeit entlassen. (Dies wäre allerdings nur sinnvoll, wenn der Bundespräsident sicher sein kann, dass die von ihm angepeilte Alternative vom Nationalrat akzeptiert wird.) Die Entlassung einzelner Mitglieder der Bundesregierung ist wie ihre Ernennung an den Vorschlag des Kanzlers gebunden und findet formal auch dann statt, wenn Minister von sich aus ihren Rücktritt erklären.
Rechtsstellung der Bundesregierung
Die Bundesregierung ist in ihrem Wirkungsbereich eine als Kollegial- oder Gesamtorgan eingerichtete Verwaltungsbehörde.[1] Zur Beschlussfassung tritt sie im Ministerrat zusammen,[2] seit September 1997 ist zur Beschlussfähigkeit die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder der Bundesregierung erforderlich (Art. 69 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz[3]). Obwohl dies ursprünglich rechtlich nicht gesondert festgelegt war, mussten schon in der politischen Praxis Beschlüsse einstimmig getroffen werden;[4] dies entsprach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.[5] In Hinblick auf diese Konventionalregel stellte StaatskanzlerKarl Renner 1945 zwei kommunistischen Regierungsmitgliedern, die einen Beschluss nicht mittragen wollten, den Austritt aus der Regierung anheim, worauf diese keinen Einspruch mehr erhoben.
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurde Art. 69 Abs. 3 B-VG im März 2020 abgeändert: Einerseits wurde das Einstimmigkeitsprinzip nun verfassungsrechtlich festgeschrieben, wobei weiterhin (nunmehr dezidiert „in persönlicher Anwesenheit“) mehr als die Hälfte ihrer Regierungsmitglieder zur Beschlussfassung anwesend sein müssen. Andererseits wurde die Möglichkeit geschaffen, Beschlüsse im Umlaufverfahren zu fassen; befristet war dies auch (nach einer Verlängerung) bis zum 30. Juni 2023 im Wege einer Videokonferenz möglich.[6]
Rechtsstellung der Regierungsmitglieder
Der österreichische Bundeskanzler ist Vorsitzender der Bundesregierung (im Sinne eines primus inter pares).[7] Eine formale Richtlinienkompetenz oder ein Weisungsrecht des Regierungschefs gegenüber den Ministern sieht das österreichische Regierungssystem nicht vor. Seine Rechtsstellung innerhalb der Bundesregierung wird jedoch durch sein Vorschlagsrecht bei der Ernennung und Entlassung ihrer einzelnen Mitglieder gestärkt. Seine politische Stellung hängt davon ab, ob er die Alleinregierung einer Partei führt oder auf seine Koalitionspartner Rücksicht nehmen muss.
Neben dem Bundespräsidenten und der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit gehören auch ihre einzelnen Mitglieder (d. h. Bundeskanzler, Vizekanzler sowie Bundesminister) zu den obersten Organen der Bundesverwaltung (monokratische Organe). Als solche sind sie selbst nur an Beschlüsse der Bundesregierung – repräsentiert im Ministerrat – gebunden, und ansonsten weisungsfrei, d. h. keinerlei Auftrag von wem immer unterworfen, und nur sie den ihnen untergeordneten Behörden gegenüber weisungsbefugt (Ressortprinzip). Nicht als rechtlicher, wohl aber als politischer Auftrag ist es zu verstehen, wenn der Nationalrat einen Bundesminister durch eine Entschließung dazu auffordert, in einem bestimmten Sinn tätig zu werden, z. B. einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Zur Unterstützung in den Amtsgeschäften können den Bundesministern Staatssekretäre beigegeben werden, die als Hilfsorgane des jeweiligen Bundesministers fungieren und damit ihm gegenüber weisungsgebunden sind. Sie sind rechtlich keine Mitglieder der Bundesregierung, haben als solche auch kein Stimmrecht, nehmen jedoch an Regierungssitzungen teil. In Koalitionsregierungen werden Bundesministern nicht selten Staatssekretäre der jeweils anderen Regierungspartei beigegeben. In diesem Fall bleibt die Weisungsgebundenheit des Staatssekretärs Theorie; in der Praxis fungiert er quasi als politischer „Aufpasser“ der Partei, die das Ressort nicht führt.
Ministerratsprotokolle
Die Ministerratsprotokolle, die als Archivgut im Österreichischen Staatsarchiv verwahrt sind,[8] waren bis 2016 öffentlich nicht zugänglich. Seit der XXV. Regierungsperiode, beginnend mit dem Beschlussprotokoll des 10. Ministerrates vom 30. August 2016,[9] sind die Protokolle online auf der Website des Bundeskanzleramtes veröffentlicht.[10] Seit der XXVII. Regierungsperiode, beginnend mit der 1. Ministerratssitzung am 8. Jänner 2020, sind die Ministerratsprotokolle mit den Beschlussprotokollen und den zugehörigen Ministerratsvorträge samt Beilagen im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) abrufbar.[11]
Sie wählte weiters am 7. Juli 1920 die Staatsregierung Mayr I, die am Tag des In-Kraft-Tretens des Bundes-Verfassungsgesetzes der Republik am 10. November 1920 in die erste Bundesregierung überging.
Bundesregierungen bestanden vom 10. November 1920 (Inkrafttreten des Bundes-Verfassungsgesetzes, siehe Bundesregierung Mayr I) bis zum 13. März 1938 (Inkrafttreten des „Anschlusses“ an das Deutsche Reich)
Die Bundesregierung Dollfuß regierte vom 5. März 1933 an ohne Parlament, schaltete im Zusammenhang mit den Februarkämpfen am 12. Februar 1934 die Opposition aus und setzte am 1. Mai 1934 die autoritäre Verfassung des Bundesstaates Österreich in Kraft. Außerdem wurden alle Parteien neben der Vaterländischen Front (VF) als Einheitspartei verboten, sodass alle folgenden Regierungen formal VF-Regierungen waren.
Art. 71B-VG: „Ist die Bundesregierung aus dem Amt geschieden, hat der Bundespräsident bis zur Bildung der neuen Bundesregierung Mitglieder der scheidenden Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung und einen von ihnen mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung zu betrauen. […] Der mit der Fortführung der Verwaltung Beauftragte trägt die gleiche Verantwortung wie ein Bundesminister (Art. 76).“[12]
**)
Ohne Wahldatum und damit ohne Dauer: Nach Rücktritt des Bundeskanzlers und/oder der gesamten Bundesregierung wurde mit altem bzw. in den meisten Fällen mit neuem Bundeskanzler die Regierung neu oder umgebildet.
1)
Provisorische Staatsregierung mit vollständiger exekutiver und legislativer Gewalt, allerdings anfangs nur in der sowjetischen Besatzungszone und ohne Wahlgang eingesetzt.
2)
Am 20. November 1947 schied die KPÖ aus der Bundesregierung aus.
3)
Regierung Kreisky I: Seit 1945 die erste und bis 2019 einzige (siehe Regierung Kurz) Minderheitsregierung.
4)
Laut offiziellen Angaben des Bundeskanzleramtes wurde am 17. April 2005 aus der ÖVP-FPÖ-Koalition eine ÖVP-BZÖ-Koalition.
5)
Am 22. Mai 2019 schieden im Gefolge der sogenannten Ibiza-Affäre der FPÖ-Vizekanzler und die anderen FPÖ-Minister aus der Bundesregierung aus. Die ausgeschiedenen Regierungsmitglieder wurden auf Vorschlag von ÖVP-Bundeskanzler Kurz mit parteilosen Experten ersetzt; anstelle des scheidenden Vizekanzlers Heinz-Christian Strache wurde der ÖVP-Bundesminister Hartwig Löger zum Vizekanzler ernannt. Die Regierung wurde damit zu einer ÖVP-Allein- und Minderheitsregierung.
6)
Am 28. Mai 2019 wurde die gesamte Regierung Kurz des Amtes enthoben. Gleichzeitig wurde (Kurzzeit-)Vizekanzler Hartwig Löger mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung und der Fortführung der Verwaltung betraut.[13][14]
7)
Wurde am 3. Juni 2019 als Übergangsregierung bis nach der vorgezogenen Nationalratswahl am 29. September 2019 eingesetzt. Nach Demission wurde die Bundesregierung vom Bundespräsidenten am 1. Oktober 2019 mit der Fortführung der Verwaltung und die Bundeskanzlerin überdies mit dem Vorsitz dieser einstweiligen Bundesregierung betraut.[15]
8)
Lediglich der bisherige Bundeskanzler Kurz wurde seines Amtes enthoben. Der bisherige Außenminister Schallenberg wurde nur enthoben, um sofort darauf als Bundeskanzler angelobt zu werden, die übrigen Regierungsmitglieder wurden nicht des Amtes enthoben und auch nicht neu angelobt.
Zeitleiste Bundesregierungen, Bundeskanzler und Vizekanzler seit 1945
↑Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, VwGH 0245/62 vom 24. Mai 1963 (VwSlg 6035 A/1963); Rechtssatz 4 im RIS: „Die Bundesregierung ist eine Verwaltungsbehörde.“
↑Anton Pelinka: Das politische System Österreichs. In: Wolfgang Ismayr (Hrsg.): Die politischen Systeme Westeuropas. Unter Mitarbeit von Jörg Bohnefeld und Stephan Fischer. 4. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-16464-9, S.607–642, hier: S. 614.
↑Art. 69 Abs. 3 B-VG in der Fassung 1. September 1997, BGBl. I Nr. 87/1997: „Die Bundesregierung ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist.“
↑Bernd-Christian Funk: Einführung in das österreichische Verfassungsrecht. 10. erg. Auflage. Leykam, Graz 2000, ISBN 978-3-7011-9085-0, Kap. 10. II. 2., Bundesregierung, S.257.
↑Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, VwGH 0245/62 vom 24. Mai 1963 (VwSlg 6035 A/1963); Rechtssatz 3 im RIS: „Ein Ministerratsbeschluß bedarf in Anbetracht der Rechtseinrichtung der Ministerverantwortlichkeit zu seiner Rechtsverbindlichkeit der Stimmeneinhelligkeit. (Hinweis Erk. d. VfGH. v. 25. Juni 1951, VfSlg 2149)“.
↑2. COVID-19-Gesetz,BGBl. I Nr. 16/2020 (S. 14), „Artikel 19 / (Verfassungsbestimmung) / Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes“ (in Verbindung mit dem Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden,BGBl. I Nr. 222/2022, „Artikel 1 / (Verfassungsbestimmung) / Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes“, mit dem die Befristung für die Videokonferenz von 31. Dezember 2022 (Art. 151 Abs. 65) auf 30. Juni 2023 (Art. 151 Abs. 65 B-VG) verlängert wurde):
Art. 69 Abs. 3 B-VG in der Fassung 22. März 2020 bis 30. Juni 2023: „Die Bundesregierung fasst ihre Beschlüsse einstimmig. Eine Beschlussfassung im Umlaufweg oder in einer Videokonferenz ist zulässig. Tritt die Bundesregierung in persönlicher Anwesenheit ihrer Mitglieder zusammen, ist sie beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist.“
Art. 69 Abs. 3 B-VG in der Fassung ab 1. Juli 2023: „Die Bundesregierung fasst ihre Beschlüsse einstimmig. Eine Beschlussfassung im Umlaufweg ist zulässig. Tritt die Bundesregierung in persönlicher Anwesenheit ihrer Mitglieder zusammen, ist sie beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist.“
↑Die österreichische Verfassung gibt in Art. 19 Abs. 1 B-VG vor: „Die obersten Organe der Vollziehung sind der Bundespräsident, die Bundesminister und Staatssekretäre sowie die Mitglieder der Landesregierungen.“ Das ist dahingehend zu interpretieren, dass Bundes- und Vizekanzler zu den Ministern zählen, was ihre Stellung als staatliches Organ betrifft.
↑Protokolle des Ministerrates der Ersten und Zweiten Republik. In: Website des Österreichischen Staatsarchivs, abgerufen am 5. Jänner 2025. Hier unter anderem: „Die Ministerratsprotokolle – ein im Archiv der Republik verwahrter Bestand von größter Bedeutung für die zeitgeschichtliche Forschung – beleuchten ein breites Spektrum staatspolitischer Probleme, insbesondere auf dem Gebiet der Außen-, Innen- und Wirtschaftspolitik, die von den Regierungsmitgliedern und zugezogenen Fachreferenten in zum Teil sehr offener Form behandelt wurden.“
↑ abcdWer ist Wer – Bundesregierung auf der Website des österreichischen Parlaments, ohne Datum, abgerufen am 1. Juni 2019. Siehe hier den Hinweis zur Beachtung, wonach die „Aktualisierung des Verzeichnisses der Mitglieder der Bundesregierung […] erst [wohl auch nur] nach Einlangen einer offiziellen Mitteilung des Bundespräsidenten bzw. des Bundeskanzleramts erfolgen [kann].“ (Kursiv zur Hervorhebung, Anm.)
↑ abcdBundesregierungen seit 1918 auf der Website des österreichischen Parlaments, ohne Datum, abgerufen am 1. Juni 2019. Darin:
in der Spalte Regierung: „Kurz“ und im darunterliegenden Mouseover: „18.12.2017 – 28.05.2019“;
in der Spalte Regierung: „Einstweilige Bundesregierung Löger“ und im darunterliegenden Mouseover: „28.05.2019 – 03.06.2019“. Bei Hartwig Löger in der Spalte Funktion: „Betraut mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung und der Fortführung der Verwaltung 28.05.2019 – 03.06.2019“.
↑»Dieses Miteinander wird auch jetzt wichtig sein«.@1@2Vorlage:Toter Link/www.bundespraesident.at (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juni 2023. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag die Bundesregierung mit der vorläufigen Fortführung der Verwaltung betraut. Bis zur Bildung einer neuen Regierung wird die Regierung von Bundeskanzlerin Bierlein weiter im Amt bleiben. In: Website der Präsidentschaftskanzlei bundespraesident.at, 1. Oktober 2019, abgerufen am 6. Jänner 2020.