Bach schrieb die Kantate in seinem dritten Jahr in Leipzig für den 2. Sonntag nach Epiphanias (Erscheinung des Herrn). Die vorgeschriebenen Lesungen für den Sonntag waren Röm 12,6–16 LUT, „Wir haben mancherlei Gaben“, und Joh 2,1–11 LUT, die Hochzeit zu Kana. Der Kantatentext ist einem Jahrbuch von Kantaten von Georg Christian Lehms entnommen, das 1711 in Darmstadt veröffentlicht wurde. Ausgangspunkt für die Dichtung ist eine Aussage Jesu aus dem Evangelium: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“. Eine Anspielung auf die Hochzeit ist in Satz 4 „Gott kann den Wermutsaft gar leicht in Freudenwein verkehren“. Der Text ist in zwei Abschnitte aufgeteilt, der erste behandelt die Hoffnungslosigkeit eines Menschen, der sich von Gott verlassen fühlt, der zweite zuversichtliche Hoffnung auf Gottes Hilfe. Beide Abschnitte werden durch einen Choral abgeschlossen, der erste durch die dritte Strophe von Johann Heermanns „Zion klagt mit Angst und Schmerzen“,[1] der zweite durch die letzte Strophe von Paul Flemings „In allen meinen Taten“.[2]Alfred Dürr schließt aus der Kürze des Werkes, dass die Abschnitte vermutlich nicht vor und nach der Predigt musiziert wurden. Bach führte die Kantate erstmals am 20. Januar 1726 auf.
Die Kantate beginnt mit einer Arie, einem Klagelied, das von Blockflöten und dem dunklen Ton der führenden Oboe da caccia begleitet wird. Sie hat da-capo-Form, wobei der Mittelteil nochmals in zwei Teile gegliedert ist. Darin wird die Stimme auf die Worte „Weg zum Tod“ stufenweise abwärts geführt.[3] Das folgende kurze secco-Rezitativ endet als Arioso auf die Worte „vergeblich flehen“. Im Choral verstärken die Holzbläser unisono den cantus firmus der Altstimme, während die Streicher unabhängige lebhafte Figuration in F-Dur spielen und dadurch Hoffnung ausdrücken, obwohl der Text davon spricht, dass Hoffnung noch nicht in Sicht ist.
Ein zweites ausdrucksstarkes Rezitativ führt zur zweiten Arie „Ächzen und erbärmlich Weinen“. Der Bass wird von der ersten Violine begleitet, die von den Blockflöten eine Oktave höher aufhellend verstärkt wird. Die Klage des Anfangs wird verdeutlicht durch Seufzermotive und gespannte Intervalle wie übermäßige Sekunde, verminderte Quinte und verminderte Septime. Das Ritornell besteht aus zwei gegensätzlichen Teilen, einem klagenden und einem hoffnungsfrohen, der durch lebhafte Passagen und Sprünge gekennzeichnet ist. Im Mittelteil wird der Text „wer gen Himmel siehet“ durch einen Oktavsprung der Singstimme und aufwärts strebende Läufe der Instrumente veranschaulicht, in Gegenbewegung zum „Weg zum Tod“ im ersten Satz. Die Kantate wird in vierstimmigem Satz beschlossen durch einen Choral auf die Melodie von „O Welt, ich muss dich lassen“ von Heinrich Isaac, die zweimal in Bachs Matthäus-Passion erscheint, in den Sätzen 10 (Ich bin’s, ich sollte büßen) und 37 (Wer hat dich so geschlagen).[4]
Hans-Joachim Schulze: Die Bach-Kantaten: Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs. Evangelische Verlags-Anstalt, Leipzig, ISBN 3-374-02390-8; Carus-Verlag, Stuttgart 2006 (Edition Bach-Archiv Leipzig), ISBN 3-89948-073-2.