Die Architektengemeinschaft Mohr & Weidner war eine im Jahr 1906 in der damaligen Stadt Charlottenburg bei Berlin gegründete Büro-Arbeitsgemeinschaft der Architekten Carl Mohr und Paul Weidner. Sie hatte sich deutschlandweit auf den Bau von Krankenhäusern und anderen kommunalen Einrichtungen spezialisiert und wurde in den 1950er Jahren aufgelöst, nachdem Weidner gestorben war. Auf das Wirken von Mohr und Weidner gehen nachweislich mindestens 30 deutsche Krankenhäuser, Sanatorien, Lazarette und ähnliches zurück.
Carl Mohr (* 2. Januar1878 in Neubrandenburg; † 1. Dezember1958 in Berlin-Charlottenburg) war der Sohn des Schuhmachers Christian Wilhelm Otto Mohr (1838–1927) und dessen Frau Marie Friederike Wilhelmine Mohr geb. Schröder (1844–1925). In seinem Heimatort besuchte er das Gymnasium und schloss es Ostern 1895 mit dem Reifezeugnis für Obersekunda ab. Anschließend (1895–1896) absolvierte Carl Mohr eine Lehre als Maurer und wurde Geselle. Parallel zur praktischen Ausbildung studierte er an der Königlich Preußischen Baugewerkschule Höxter, von der er 1898 mit dem Prädikat vorzüglich abging. Es folgten einige Praxis-Jahre in mehreren bekannten Architekturbüros und in verschiedenen Städten, darunter Mündelein & Sirrenberg in Paderborn (1898/1899), H.& Th. Hermann in Neuwied (1899/1900), Knoch & Kallmeyer in Halle (Saale) (1900–1903), Johannes Kraaz in Berlin (1903–1905). In den Jahren von 1900 bis 1905 vervollkommnete Carl Mohr sein Grundlagenwissen als Gasthörer an der Technischen Hochschule (Berlin-)Charlottenburg.
Ab 1903 machte sich Carl Mohr in Charlottenburg als Architekt selbstständig, schloss sich jedoch bereits 1906 mit Paul Weidner zu einer Architektengemeinschaft zusammen, die ihr Büro im Haus Bismarckstraße 79 hatte[1] und sich bald Spezial-Entwurfsbureau für Bau und Einrichtung von Krankenanstalten, Kliniken, Sanatorien, Heilstätten etc. nannte. Die Zusammenarbeit hielt bis zum Tod von Weidner im Jahr 1954, im Jahr 1939 hatte sich auch der Sohn von Carl Mohr, Karlfriedrich Mohr (1910–1976) der Arbeitsgemeinschaft angeschlossen. Carl Mohr wohnte privat im Haus Windscheidstraße 40 in Charlottenburg.[2]
Als in Spandau die Stelle eines stellvertretenden Regierungsbaumeisters im Militärbauamt Berlin III zu besetzen war, wurde er Baubeamter. Schrittweise übernahm er weitere Funktionen: Er wurde Leiter der Bauabteilung der Munitionsfabrik Spandau (1917–1919) und stellvertretender Leiter der Bauabteilung der Deutsche Werke AG (1920/1921).
Carl Mohr war verheiratet. Ob er außer Karlfriedrich Mohr weitere Kinder hatte, ist nicht bekannt. Er wurde 1958 auf dem Waldfriedhof Heerstraße bestattet.
Bauten und Entwürfe 1898–1906
1898: Zeichnung der Turmfassade der Herz-Jesu-Kirche in Paderborn (eventuell durch Mohr als Mitarbeiter von Arnold Güldenpfennig angefertigt, da auf den 2. März 1898 datiert und weitestgehend identisch mit dem von Güldenpfennig ausgeführten Bau)[3]
1901: Entwurf eines nicht genauer benannten Monumentalgebäudes[3]
1901: Wettbewerbsentwurf für ein Hospital mit einem Doppelwohnhaus für den Pfarrer sowie ein Einfamilienhaus für den Oberbürgermeister in Köthen (prämiert mit dem 3. Preis)[4]
Nach dem Studienabschluss arbeitete Paul Weidner als Architekt und wohnte im Haus Englische Straße 29 in Charlottenburg.[6]
Im Jahr 1906 fand er in Carl Mohr einen interessierten Partner, sie gründeten das Büro Mohr & Weidner mit Sitz in Charlottenburg, zunächst im Haus Bismarckstraße 54.[7] Später zogen sie in das Haus Nummer 79.[1]
Im November 1901 heiratete Paul Weidner die aus Gera stammende Gertrud Grimm.
Gemeinsame Arbeiten
Nicht ausgeführte Entwürfe
1906–1918
1908: Wettbewerbsentwurf Hygienisches Gemeindehaus für einen Ort mit Arzt[8]
1908: Wettbewerbsentwurf Hygienisches Gemeindehaus für einen Ort ohne Arzt
um 1910: Vorentwurf für ein Freilicht- und Freiluft-Krankenhaus (System Dr. Dosquet, Licht und Luft)
1914: Erweiterungsbau des Auguste-Viktoria-Krankenhauses in Berlin-Lichtenberg
Alle nachfolgend genannten Bauten wurden von Mohr & Weidner gemeinsam geplant und meist unter ihrer Leitung ausgeführt.[8]
1903–1918
1903–1912: Erweiterungsbauten für die Volksheilstätte in Loslau, Oberschlesien (Speisesäle, Badeabteilung, Kochküche, Wäscherei, Arztwohnhaus, Dachumbau)
1907: Neubau des Isoliergebäudes für das Fürstlich Hohenlohe’sche Krankenhaus in Slawentzitz, Oberschlesien
1907/1908: Mehrfamilienwohnhaus mit Ladenlokal, Horstweg 25 in (Berlin-)Charlottenburg (unter Denkmalschutz)[11]
1907/1908: Herrschaftliches Wohnhaus an der Tiergartenstraße in Neustrelitz (unter Denkmalschutz)
1908: Wohnhaus an der Bismarckstraße in (Berlin-)Charlottenburg
um 1908: Wohnhaus mit Fleischerei in (Berlin-)Charlottenburg, Dankelmannstraße
um 1908: Mehrfamilienwohnhäuser Wielandstraße 26, 26a, 27 und 28 in (Berlin-)Charlottenburg
1908/1909: Schwestern-Erholungsheim Bethanienruh in Heringsdorf
1908–1910: Pathologie für das Humboldt-Krankenhaus der Gemeinde Reinickendorf in Berlin-Reinickendorf, Romanshorner Weg 165 (Nach einer umfassenden Sanierung im Jahr 2008 wurde den privaten Eigentümern der Bauherrenpreis 2008 für die denkmalgerechte und aufwändige Restaurierung verliehen.)[12]
1908–1910: Verbands-Krankenhaus der Gemeinden Reinickendorf, Tegel, Wittenau und Rosenthal in (Berlin-)Reinickendorf (einschließlich der künstlerischen Bearbeitung der Inneneinrichtung)[13][14]
1909: Wohn- und Geschäftshaus in Neustrelitz, Strelitzer Straße 6
1909/1910: Fassade für ein Wohnhaus des Architekten und Bauunternehmers Albert Schrobsdorff in Berlin
1911/1912: Sanatorium Sonnenfels (Lungenheilstätte) mit Wohnhaus für den Besitzer Rudolf Wasmund in Sülzhayn, am Kaulberg (etliche Jahrzehnte in ursprünglicher Nutzung, seit kurz nach 1990 leerstehend und verfallen; 2007 fand sich ein Investor, der eine denkmalgerechte Fassadensanierung versprach und eine Umnutzung zusammen mit neuen Bungalows in Wohnungen plante.)[17]
1912/1913: Kreiskrankenhaus mit Absonderungs- und Leichenhaus in Neutomischl, Westpreußen (später zweimalige Erweiterung nach Plänen polnischer Architekten, 2005 restauriert)
1912–1914: Städtisches Krankenhaus in Clausthal (heute Robert-Koch-Krankenhaus)
vor 1913: Krankenhaus in Falkenberg, Oberschlesien
vor 1913: Erweiterung des Johanniter-Krankenhauses in Jüterbog
vor 1913: Erweiterung des Krankenhauses in Lauenburg, Pommern
1913/1914: Kaiser-Wilhelm-Krankenhaus für den Kreis Ragnit in Kraupischken, Ostpreußen (einschließlich Brunnen- und Enteisenungsanlage; nach dem Ersten Weltkrieg geschlossen und für Wohnzwecke umgebaut)
1925: Umbau des Johanniter-Krankenhauses in Lauenburg, Pommern
1925/1926: Kreis-Säuglingsheim in Jüterbog
1925–1930: Erweiterungsbauten (sanitäre Einrichtungen, Liegeterrassen) und ein Schulneubau für das Central-Diakonissenhaus Bethanien in Berlin-Kreuzberg[18] Außerdem wurde nach Plänen von Mohr und Weidner das Schwesternwohnheim an der Adalbertstraße gebaut.[19]
1927: Erweiterungsbau zum Kreiskrankenhaus in Ranis
1927: Städtische Sparkasse (Erweiterungsbau für das Rathaus) in Lauenburg, Pommern
1927–1928: Erweiterungsbau des Kreis- und Stadtkrankenhauses in Herford (große Teile im Zweiten Weltkrieg zerstört; später zum Technischen Rathaus umgenutzt)[20]
1955: Schwesternhaus in Berlin-Wedding, Drontheimer Straße
1957: Neubau für die Infektions-Abteilung des DRK-Krankenhauses in Berlin-Westend (Ausführungsplanung und Beratung)
Undatiert
wohl vor 1945: Um- und Erweiterungsbauten für das St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin-Mitte
Marienkrankenhaus in Berlin-Charlottenburg
Dosquet-Krankenhaus (auch „Krankenhaus Nordend“) in Berlin-Niederschönhausen (2006 abgerissen)[21][22][23][24][25]
Literatur
Hermann Gescheit (Hrsg.): Neuzeitliche Hotels und Krankenhäuser. Ausgeführte Bauten und Entwürfe. Ernst Pollak Verlag, Berlin-Charlottenburg o. J. (1929). (auf S. 404–424 diverse Krankenhäuser von Mohr und Weidner)
↑Deutsche Bauzeitung, 46. Jahrgang 1910, Nr. 97 (3. Dezember 1910, S. 798–795) (mit detaillierter Beschreibung und Bildbeilage)
↑Ralf Schmiedecke: Reinickendorf. Berlins grüner Norden. Sutton Verlag, Erfurt 2003, ISBN 978-3-89702-587-5. (eingeschränkte Vorschau auf Google Bücher; auf S. 26 der Vorschau befindet sich eine Abbildung des Krankenhauses aus dem Jahr 1912).
↑Edeltraut Pawelka, Torsten Foelsch, Rolf Rehberg: Städte der Prignitz. Sutton Verlag, Erfurt 2004, S. 40 (mit einer Abbildung des Krankenhauseingangs aus dem Jahr 1925) (eingeschränkte Vorschau bei Google Bücher)
↑Dr. Wilhelm Dosquet (geboren 1859 als Wilhelm Manasse in Breslau; gestorben 1978) war ein Berliner jüdischer Arzt, der den Einfluss von guter Luft und Licht auf die Gesundung in Krankenhäusern untersucht hatte und eine Privatklinik in Berlin N 24 (Oranienburger Straße 12, 1. und 2. Etage) Dosquet-Manasse, Wilhelm, prakt. Arzt. In: Berliner Adreßbuch, 1907, Teil 1, S. 409. „Lothringer Straße“ (Privatklinik in Berlin N 24, Oranienburger Str. 12). führte.
↑Gottstein Hoffmann: Krankenhausbetrieb (1926–1930). Springer Verlag, 2013 (Nachdruck von 1932); S. 17: Erläuterungen zum System Dosquet in Krankenhäusern; abgerufen am 7. Mai 2019.