1002 wurde Wolfskehlen in einer Urkunde erwähnt, mit der König Heinrich II. Bischof Burchard von Worms die Rechte im Forst Forehahi verlieh. In den folgenden Jahrhunderten wurde der Ortsnamen unter anderem in folgenden Schreibweisen wiedergegeben: „Wolveskele“ (1252), „Woluiskelen“ (1312), „Wolffkeln“ (1344), „Wlffßkellen“ (1458), „Wolskeel“ (1579) und „Wolffskehln“ (1613).[1]
Im Bereich des Ortes entstanden im 12. und 13. Jahrhundert zwei Burgen. Die Burg Alt-Wolfskehlen wurde vom Begründer des Geschlechts Ger(h)ardus von Wolfskehlen erbaut und bestand etwa bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Die Burg Neu-Wolfskehlen errichteten drei seiner jüngeren Söhne als Ganerbenburg. Sie wurde 1252 an den Erzbischof von Mainz verkauft und schon 1301 zerstört.[3]
Barbara von Wolfskehlen (1501–1545) (wohl die Tochter Hans von Wolfskehlen, Letzter seines Geschlechts) deren Mutter bereits aus dem Geschlecht der Freiherren von Gemmingen entstammte, heiratete im Jahr 1518 Eberhard von Gemmingen zu Bürg,[4] wodurch die Familie von Gemmingen in den Besitz des Patronatsrechts der Kirche in Wolfskehlen kam und dort die Reformation einführte.[5]
Die Rechte der Familie Wolfskehlen sowie weitere Rechte, die dort die Herren von Cronberg hatten, kauften im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts die Grafen von Katzenelnbogen auf und ordneten sie ihrem Amt Dornberg zu.[6] 1457 heiratete Anna von Katzenelnbogen, Erbtochter Philipps des Älteren, LandgrafHeinrich III. von Hessen. Mit dem Tod Philipps 1479 fiel die Grafschaft Katzenelnbogen – und damit auch Wolfskehlen – an die Landgrafschaft Hessen.
Durch die Folgen des Dreißigjährigen Kriegs und die Pest starben fast alle Bewohner von Wolfskehlen. Erst im 18. Jahrhundert begann der Wiederaufbau.[5]
Neuzeit
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Wolfskehlen:
„Wolfskehlen (L. Bez. Dornberg) luth. Pfarrdorf; liegt 1 1⁄4 St. von Dornberg zwischen dem Rhein und dem Landbach und besteht aus 126 Häusern mit 833 Einw., die außer 2 Kath. und 1 Reform., 5 Mennoniten und 34 Juden lutherisch sind. Man findet eine schöne Kirche, eine sehr gut eingerichtete Industrieschule, ein bedeutendes Lager von Borden aller Art und Torfgräbereien, in welchen seit 1823 ein guter Torf gestochen wird. Nicht uninteressant ist im Hainfeld ein Hügel, der Herrnhölzerberg genannt, der durch einen verfallenen Graben vom sogenannten Vorhof getrennt wird. Auf diesem Hügel, der für römisch gehalten wird (römische Münzen wurden in diesem Felde schon gefunden) wurde früher ein Jahrgedächtniß gehalten. – Das Dorf, so wie der Pfarrsatz gehörte den Herrn von Wolfskehlen, deren Schloß an der Stelle stand, die jetzo noch die Hofstätte genannt wird. Die Cent Erfelden (gewöhnlich zum Holengalgen genannt), besaßen die Herrn von Wolfskehlen als ein katzenellenbogensches Lehen. Diese Familie, die 1368 und 1441 ihre Centgerichtsbarkeit und andere Güter nach und nach an die Grafen von Katzenellenbogen verkaufte, verlor sich endlich ganz aus der Gegend. Die der von Cronbergischen Familie hier zugestandene Güter und Gefälle erkaufte 1447 Graf Philipp von Katzenellenbogen, so wie Landgraf Georg I. im Jahr 1579 die mainzischen Rechte hier und in Stockstadt gegen die seinigen in Astheim und Dudenhofen eintauschte. Vor der Reformation hatte Wolfskehlen 3 Altäre, wovon aber nur 2 bepfründet waren. Im Dreißigjährigen Krieg 1644 wurde das Dorf ganz abgebrannt.“[6]
1869 erhielt Wolfskehlen den ersten Bahnanschluss als die Riedbahn von Darmstadt über Goddelau nach Worms eröffnet wurde. 1879 erhielt Wolfskehlen einen zweiten Bahnanschluss, als dort der Streckenabschnitt von Goddelau nach Frankfurt-Goldstein der Bahnstrecke Mannheim–Frankfurt am Main in Betrieb ging. Ab da wandelte sich die bis dahin rein landwirtschaftlich geprägten Dorfstruktur. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Ort ca. 800 Heimatvertriebene und Flüchtlinge auf.
Gerichte und Verwaltung
Amts-System vor 1821
In Mittelalter und Früher Neuzeit waren auf unterster Ebene die Funktionen von Verwaltung und Rechtsprechung im „Amt“ vereinigt, so auch im Amt Dornberg, das bis 1821 bestand und zu dem Wolfskehlen gehörte.
1806 wurde die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt zum Großherzogtum Hessen. Hier lag Wolfskehlen in der Provinz Starkenburg. Im Zuge der Verwaltungsreform von 1821 wurden die alten Ämter aufgelöst, für die Verwaltungsaufgaben auf der unteren Ebene Landratsbezirke und für die erstinstanzliche Rechtsprechung Landgerichte geschaffen.[8]
Verwaltung nach 1821
Für die übergeordnete Verwaltung in Wolfskehlen war nun der Landratsbezirk Dornberg zuständig. 1832 wurden die Verwaltungseinheiten im Großherzogtum weiter vergrößert und Kreise geschaffen. Dadurch gelangte Wolfskehlen in den Kreis Groß-Gerau. Die Provinzen, die Kreise und die Landratsbezirke des Großherzogtums wurden am 31. Juli 1848 abgeschafft und durch Regierungsbezirke ersetzt, was jedoch bereits am 12. Mai 1852 wieder rückgängig gemacht wurde. Dadurch gehörte Wolfskehlen zwischen 1848 und 1852 zum Regierungsbezirk Darmstadt, bevor wieder der Kreis Groß-Gerau für die übergeordnete Verwaltung zuständig war. Dort verblieb der Ort durch alle weiteren Verwaltungsreformen bis heute.[1]
In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen der beiden oberen Instanzen neu organisiert. Die Ämter blieben die erste Instanz der Rechtsprechung in Zivilsachen. Für das Fürstentum Starkenburg wurde das „Hofgericht Darmstadt“ als Gericht der zweiten Instanz für Zivilsachen eingerichtet. Zuständig war es erstinstanzlich auch für standesherrliche Familienrechtssachen und Strafsachen. Ihm übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt.
Mit der Verwaltungsreform von 1821 wurden im Großherzogtum Hessen auch auf unterster Ebene Gerichte geschaffen, die von der Verwaltung unabhängig waren.[8] Für Wolfskehlen war nun das Landgericht Großgerau zuständig.[1] Mit der Reichsjustizreform und Wirkung vom 1. Oktober 1879 wurde es vom Amtsgericht Groß-Gerau ersetzt.
Verwaltungsgeschichte im Überblick
Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Wolfskehlen angehört(e):[1][11][12]
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[1]; 1794[16]; 1800[17]; nach 1970: Stadt Riedstadt: (webarchiv)[18][19]; Zensus 2011[20]
Wappenbegründung: Dieses Bild steht in dem um 1600 entstandenen, erstmals 1625 nachweisbaren Gerichtssiegel, während ein späteres Siegel in weitergehender Symbolisierung des Begriffs „Wolf“ nur eine von zwei Sternen begleitete Wolfsangel enthält. Die blaue Bewehrung spielt auf den Löwen der Grafen von Katzenelnbogen an, die im 14. und 15. Jahrhundert die Rechte im Dorf der Herren von Wolfskehlen, die hier ihren Stammsitz hatten, und das Centgericht erwarben. Durch Silber und Rot wird ein Hinweis auf Hessen erzielt, da der Landgraf 1479 das Erbe der Katzenelnbogener antrat und seitdem Wolfskehlen hessisch blieb.
Das Wappen wurde 1927 durch das Ministerium des Innern des Volksstaats Hessen verliehen.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
2016 hat Wolfskehlen an der alle 2 Jahre stattfindenden Aktion „Der Kreis rollt“ teilgenommen. Viele Vereine und Institutionen beteiligten sich mit Ständen und Ausstellungen.[22][23]
Naturdenkmale
Mit den beiden Objekten Nr. 048 Eiche auf dem Kirchplatz und 065 Linde „Am alten Bahnhof“ hat Wolfskehlen zwei eingetragene Naturdenkmale.
↑Das Großherzogtum Hessen war von 1815 bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes. Ein Staatenbund ehemaliger Territorien des Heiligen Römischen Reichs. Er gilt als gescheiterter Versuch einer erneuten Reichsgründung.
↑Jahr der Hochzeit 1518 nach W.v.Hueck: Stammfolge des Geschlechts der Freiherren von Gemmingen (1966) und A. u. H. Schüßler: Treschklingen – Vom ritterschaftlichen Kraichgaudorf zum Stadtteil von Bad Rappenau (2004), darin Biografie S. 44: „Eberhard von Gemmingen zu Bürg“
↑Arthur Benno Schmidt: Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen. Curt von Münchow, Giessen 1893, S. 108f. und beiliegende Karte.
↑ ab
Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr.33, S.403ff. (404) (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
↑Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, OCLC894925483, S.43ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑
Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr.8, S.121ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2MB]).