Den größten Teil des Kreisgebiets nahm die Elchniederung ein, nach der der Kreis 1938 umbenannt wurde. Durch diese Niederung fließt der Gilgestrom, ein Mündungsarm der Memel, der beim Dorf Gilge knapp südlich der Kreisgrenze ins Kurische Haff mündet. Mit dem Ibenhorster Forst am Haffufer und dem Schneckenschen Forst im Süden lagen zwei große Waldgebiete im Kreisgebiet.
Obwohl östlich außerhalb des Kreisgebiets gelegen, war die Stadt Tilsit der wichtigste Zentralort der Region. Im Kreisgebiet selbst gab es keine Städte. Sitz der Kreisverwaltung war die Gemeinde Heinrichswalde, mit etwa 3500 Einwohnern der größte Ort des Kreises.
Geschichte
Das Gebiet des Kreises Niederung gehörte seit der Einteilung Ostpreußens in landrätliche Kreise von 1752 zu dem damaligen Kreis Insterburg.[1][2] Im Rahmen der preußischen Verwaltungsreformen ergab sich mit der „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden“ vom 30. April 1815 die Notwendigkeit einer umfassenden Kreisreform in ganz Ostpreußen, da sich die 1752 eingerichteten Kreise als unzweckmäßig und zu groß erwiesen hatten. Zum 1. September 1818 wurde im Regierungsbezirk Gumbinnen aus Teilen des alten Kreises Insterburg der neue Kreis Niederung gebildet. Dieser umfasste die damaligen Kirchspiele Heinrichswalde, Inse, Kaukehmen, Lappienen, Neukirch, Plaschken und Skaisgirren.[3]
Das Landratsamt war ursprünglich in Kaukehmen, wechselte aber später nach Heinrichswalde. Seit dem 3. Dezember 1829 gehörte der Kreis – nach dem Zusammenschluss der Provinzen Preußen und Westpreußen – zur neuen Provinz Preußen mit dem Sitz in Königsberg i. Pr. Nach der Teilung der Provinz Preußen in die Provinzen Ostpreußen und Westpreußen wurde der Kreis Niederung am 1. April 1878 Bestandteil Ostpreußens. 1836 wurden die Ortschaften des Kirchspiels Plaschken aus dem Kreis Niederung in den Kreis Tilsit umgegliedert.[3]
Mit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrags verlor der Kreis Niederung am 10. Januar 1920 die nördlich des Memeler Mündungsarmes Ruß liegenden Landgemeinden Groß Schilleningken, Heinrichsfelde, Klein Schilleningken und Leitgirren sowie den Gutsbezirk Perwallkischken an das Memelgebiet. Die Landgemeinden traten zum dortigen Kreis Heydekrug und der Gutsbezirk zum neuen Kreis Pogegen.
Der beim Deutschen Reich verbliebene Restkreis Heydekrug wurden zunächst von Heinrichswalde aus mitverwaltet. Zum 1. Juli 1922 wurden dieses Gebiet zwischen Gilge und Ruß mit den Gemeinden Abschrey, Ackelningken, Ackmenischken, Ackminge, Bredszuill, Derwehlischken, Girgsden, Jäkischken, Jodischken, Kallningken, Karkeln, Katrinigkeiten, Labben, Lebbeden, Lukischken, Luttken, Nausseden, Parungaln, Perkuhnen, Pustutten, Rewellen, Schakuhnen, Schillgallen, Schneiderende, Schudereiten, Skirwieth, Spucken, Staldszen, Thewellen, Tirkseln, Tramischen, Wieszeiten, Wirballen und Wittken sowie den Gutsbezirken Ibenhorst, Jodraggen und Valtinkratsch auch formell in den Kreis Niederung eingegliedert. Gleichzeitig gab der Kreis Niederung die Gemeinden Alloningken, Gaidwethen, Groß Brettschneidern, Groß Dummen, Groß Ischdaggen, Groß Wingsnupönen, Kattenuppen, Kaukwethen, Kaukweth-Kludszen, Kellmienen, Klein Brettschneidern, Klein Dummen, Krauleiden, Kühlen, Papuschienen, Puskeppeln, Sandlauken, Schillkojen, Seikwethen, Skardupönen, Skroblienen und Smaledumen sowie die Gutsbezirke Birkenwalde, Blausden und Pauperischken an den neuen Kreis Tilsit-Ragnit ab.
Zum 30. September 1929 fand im Kreis Niederung entsprechend der Entwicklung im übrigen Preußen eine Gebietsreform statt, bei der alle Gutsbezirke bis auf fünf aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden. Am 7. September 1938 wurde der Kreis in Elchniederung umbenannt.
Zum 1. Oktober 1939 wechselten die Gemeinden Elchwinkel und Skirwiet aus dem Kreis Elchniederung in den Kreis Heydekrug, der infolge des Deutschen Ultimatums an Litauen seit dem 22. März 1939 wieder zu Ostpreußen gehörte.
Am 12. Oktober 1944 wurde der Kreis Elchniederung von der deutschen Bevölkerung und den Behörden geräumt. Im Frühjahr 1945 wurde das Kreisgebiet durch die Rote Armee besetzt und kam danach unter sowjetische Verwaltung. Das ehemalige Kreisgebiet liegt heute überwiegend im Rajon Slawsk in der russischen Oblast Kaliningrad. Der nördliche Zipfel um die Gemeinde Leitgiriai liegt im Distrikt Klaipėda in Litauen.
Der Kreis Niederung gliederte sich in Landgemeinden und – bis zu deren nahezu vollständigem Wegfall – Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 gab es ab dem 1. Januar 1934 eine einheitliche Kommunalverfassung für alle Gemeinden. Mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 trat zum 1. April 1935 die im Deutschen Reich gültige Kommunalverfassung in Kraft, wonach die bisherigen Landgemeinden nun als Gemeinden bezeichnet wurden. Diese waren in Amtsbezirken zusammengefasst. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Preußische Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.
Gemeinden
Der Kreis Niederung setzte sich am 1. Januar 1936 aus 231 Gemeinden und fünf Gutsbezirken zusammen:[3]
Warskillen, Ksp. Lappienen, am 24. September 1917 zu Hohenwiese
Warsze an der Gilge, am 19. Mai 1913 zu Warszlauken
Waszespindt, am 24. Mai 1917 zu Groß Heinrichsdorf
Wietzischken, am 1. Oktober 1932 zu Gilgetal
Willnohnen, 1895 zu Berkeln
Ortsnamen
Viele Ortsnamen im Kreis[11] waren baltischen Ursprungs. Am 3. Juni 1938 – mit amtlicher Bestätigung vom 16. Juli 1938 – fand unter der nationalsozialistischen Regierung aufgrund einer Anordnung des Gauleiters und Oberpräsidenten Ostpreußens Erich Koch auch im Kreis Elchniederung eine Vielzahl von Umbenennungen von Ortsnamen statt.[12] Vereinzelte Umbenennungen fanden auch schon in den Jahren zuvor statt.[3]
Verkehr
Der Kreis wurde erst 1891 durch die Strecke Tilsit–Labiau der Preußischen Staatsbahn an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Nach der Jahrhundertwende ergänzten Schmalspurbahnen das Schienennetz, vor allem die Niederungsbahn, die bis zum Kurischen Haff führte und unter anderem in Heinrichswalde, Wilhelmsbruch und Groß Skaisgirren Bahnhöfe besaß.
Durch das Kreisgebiet verlief die Reichsstraße 138, die von Tilsit schnurgerade nach Südwesten führte und bei Taplacken auf die Reichsstraße 1 nach Königsberg mündete. Allerdings war nur der äußerste Südosten des Kreisgebiets (Schillkojen und Groß Skaisgirren) durch diese Reichsstraße erschlossen und besaß damit eine gute Straßenverbindung in die Provinzhauptstadt.
Literatur
Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 27, Ziffer 2 (books.google.de).
Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Preussen und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt vom Königlichen Statistischen Bureau. In: Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihre Bevölkerung. BandI, 1874, ZDB-ID 2593262-7, S.190–205 (Digitalisat).
Michael Rademacher: Ostpreußen – Kreis Elchniederung. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Max Toeppen: Historisch-comparative Geographie von Preussen. Gotha: Perthes 1858, S. 320 (books.google.de).
↑Ludwig von Baczko: Handbuch der Geschichte, Erdbeschreibung und Statistik Preussens, Band 2. Friedrich Nicolovius, Königsberg und Leipzig 1803, S.41 (books.google.de).
↑Christian Gottfried Daniel Stein: Handbuch der Geographie und Statistik des preußischen Staats. Vossische Buchhandlung, Berlin 1819, Der Regierungsbezirk Gumbinnen (books.google.de).
↑Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau’s in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. S.307 (books.google.de).
↑Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Preussen und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt vom Königlichen Statistischen Bureau. In: Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihre Bevölkerung. BandI, 1874, ZDB-ID 2593262-7 (Digitalisat).
↑ abcdefMichael Rademacher: Ostpreußen – Kreis Niederung. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900