Hermann Muller wuchs im New Yorker Viertel Harlem auf und studierte ab 1907 an der Columbia University, wo er Genetik zu seinem Hauptfach machte.[1]
Im Jahr 1927 beobachtete Muller, ein Schüler von Thomas Hunt Morgan, die spontane Mutation von Genen und konnte durch Bestrahlung mit Röntgenstrahlen Mutationen bei Taufliegen (Drosophila melanogaster) herbeiführen, wovon er im selben Jahr auf dem „5. Internationalen Vererbungskongreß“ in Berlin[2] berichtete. Er zeigte so, dass energiereiche Strahlung zu einer Veränderung des Erbgutes führen kann. Für diese Entdeckung wurde er 1946 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.[3] Auf ihn geht auch das LNT-Modell zurück, die Hypothese, dass Strahlung auch bei niedrigen Dosen schädlich wirkt entsprechend einer linearen Extrapolation von höheren Dosen ohne Schwellwert. Das betonte er in seiner Nobelrede und verwies auf Experimente von Curt Stern. Die einflussreiche Rolle, die Muller in der Propagierung der LNT-Theorie hatte, die maßgeblich für die Bewertung von Strahlungsrisiken wurde, ist 2011 vom Toxikologen Edward Calabrese kritisiert worden, der Muller sogar bewusste Falschdarstellung von Experimenten vorwarf. Das ist von anderen Wissenschaftlern wie dem Biographen von Muller Elof Carlson und dem Historiker James Schwartz energisch zurückgewiesen worden, die auf die bekannte wissenschaftliche Integrität von Muller verwiesen.[4]
Im Jahr 1932 zog Muller nach Deutschland, wo er Gastforscher am Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Hirnforschung[5] wurde, später nach Russland und Edinburgh. In Edinburgh forschte er ab 1938 zusammen mit Charlotte Auerbach, die die mutagene Wirkung von Chemikalien nachwies. 1941 ging Muller gemeinsam mit seiner Frau Dorothea (1909–1986), studierte Medizinerin und Tochter des Zahnmediziners Alfred Kantorowicz, in die USA.[6] Im Jahr 1945 wurde Muller Professor für Zoologie an der Indiana University. Muller klassifizierte verschiedene Arten von Mutationen.
Rudolf Hausmann: … und wollten versuchen, das Leben zu verstehen – Betrachtungen zur Geschichte der Molekularbiologie. Darmstadt 1995 (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), ISBN 3-534-11575-9.
Hermann J. Muller in: Internationales Biographisches Archiv 21/1967 vom 15. Mai 1967, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Elof Axel Carlson: Genes, radiation and society. The life and work of H. J. Muller. Cornell University Press, Ithaca (New York) 1981.
Schriften (Auswahl)
Variation due to change in the individual gene. In: American Naturalist. Band 56, 1922, S. 32–50.
Artificial transmutation of the gene. In: Science. Band 66, 1927, S. 84–87.
Studies in Genetics. The Selected Papers of H. J. Muller. Bloomington 1962.
↑Manfred Wenzel: Muller, Hermann Joseph. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. de Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1016.
↑Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-039310-4, S. 29.
↑Rudolf Hausmann, 1995, S. 20: „Nicht dass sich niemand Gedanken gemacht hätte über die materielle Natur der Gene. So z. B. hatte Hermann Muller … schon im Jahr 1926 die Möglichkeit erwogen, das Gen auch physisch in den Griff zu bekommen, und dazu auch einen der ersten Ansätze geliefert, indem er zeigte, dass Röntgenstrahlen Mutationen auslösen.“ (Originalliteratur: Hermann Joseph Muller: Artificial transmutation of the gene. In: Science. Band 66, 1927, S. 84–87.)